: Freude verdorben
■ Bremer Bürgerschaftsabgeordneter Paul Tiefenbach antwortet auf Kommentar „Hausbesetzung massenhaft“, vgl. taz v. 12.11.
Liebe taz, Ihr seid mir böse, weil ich nicht staatsmännisch wichtige Erklärungen über den 'historischen Tag‘ loslasse, sondern stattdessen Gremlizas halbsatirische Idee vom 'Freien Flüchtingsstaat DDR‘ in die Diskussion bringe. Bierernst stellt Ihr mich in eine Reihe mit Kohl (weil ich Krenz Ratschläge gebe) und enlarvt mich als jemand, der Angst vor der Wiedervereinigung hat.
Die Freude über die Reisefreiheit wird mir allerdings etwas verdorben durch das sich häufende Singen der BRD -Nationalhymne, die behauptet, Einigkeit wäre des Glückes Unterpfand. Nachdem von Großdeutschland zwei Weltkriege ausgingen, finde ich den jetzigen Zustand relativer militärischer Schwäche wirklich erhaltenswert. Daß Ihr mich dafür an die Stammtische verbannen wollt, wo ich mit dieser Auffassung Prügel bezöge, ärgert mich. Die Idee zur 'taz‘ entstand im 'Deutschen Herbst‘, als jede dem Zeitgeist widersprechende Äußerung an den Pranger gestellt wurde. Heute, wo berechtigte Freude umzukippen droht in deutschnationale Glückseligkeit, läßt die taz Scherf über eine halbe Seite Hochwichtiges sagen ('jetzt wäre ich am liebsten in Berlin‘) und bejubelt aufs peinlichste die SPD -Ankündigung, Häuser beschlagnahmen zu lassen - was Grüne schon seit Monaten fordern.
Mit wenig freundlichen Grüßen
Paul Tiefenbach
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