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Nach ganz fest kommt ganz lose

■ „D&S“ im Hamburger Kunstverein: große Namen, fade Ironien

Nun sind sie also auch in Hamburg, was daran liegen mag, daß Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn seit einiger Zeit Direktor des Hamburger Kunstvereins ist: die neuen Amerikaner. Allen voran, weil Schnelldenker, Jeff Koons mit seinen elegant zu Kunst-Monstren aufgeblasenen Kitschfiguren (der Edelstahl-rabbitt ist auch da); Ashley Bickerton mit seinen liegenden und hängenden survival kits, Fetischmontagen aus der Welt besserer Luftschutzbunker; und Haim Steinbach mit seinen spitzen Borden, auf denen sich der schrille Überfluß zu schrecklich -gemütlichen Ensembles zusammenfindet. Teure, glatte Kunst, deren Herzblut das Kapital ist, das im letzten Jahrzehnt versucht hat, die Kunst kaputtzukaufen. Aber noch funktioniert er, der kleine Unterschied, Kunst als Spiegel aller Bosheit dieser Welt.

Die Organisatoren der Ausstellung, als da sind Frank Barth, Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn, Karl Weber und Thomas Wulffen, haben ein bißchen Glück gehabt: die Hamburger Börse lehnte, obwohl anfangs zugeneigt, eine Installation von Haim Steinbach kurzfristig und ohne Begründung ab. So kam der Eindruck auf, diese Ausstellung mit dem Bitte-sofort-vergessen-Titel „D&S“, sei skandalös.

Denn D&S untersucht die Felder Differenz und Simulation, ist also hochaktuell - theoretisch. Allerdings machen Konzepter Barth und Wulffen den Eindruck, als hätten sie vorgestern Andy Warhol entdeckt und gleich für gut befunden: wo die Kunst aufhört und der Markt beginnt, oder andersherum, wollen auch Barth und Wulffen infrage stellen. Deshalb erscheinen die Stichworte „Differenz und Simulation“ als Firmenlogo: „D&S“. Wer mit der Theorie Schwierigkeiten hat, kann sie an fünf schwierigen Katalogtexten beliebig vergrößern, als da sind: Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn, „Wromm, wromm...! aber Cherry Coke gibt's auch in der Kloing-, Seufz-, Hmmmh-, Whuschhhhh- oder Aahhhhh-Dose„; Michael Haerdter, Chaos - einige Gedanken aus Anlaß der D&S Ausstellung; Frank Barth und Thomas Wulffen, D&S Ausstellung; K.D.Sauerbier, Kunst der Simulation Simulation der Kunst - Bemerkungen zur Kunstentwicklung und zur gegenwärtigen Lage der Künste; und Dietmar Kamper, Simulation und Differenzdenken - eine Aufklärung ihres Verhältnisses in Thesen und Erläuterungen.

Der Katalog - Billig-Hochglanz, ostereifarben, durchlaufendes Logo „D&S“ - soll industriell wirken, ist aber gemessen an Industriestandards, allein vom Standpunkt des Graphikdesigns, dilettantisch gemacht. Die Essays tragen auf jeder Seite ein Autorenlogo: Barth und Wulffen erscheinen als BAWU, während man sich bei den anderen Autoren mit dem Adreßbuchkürzel begnügt hat. Es hätte mich schon interessiert, wie der Name Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn als industrielles Logo ausgesehen hätte. Hier kommt er schlicht als SCH.

Die Künstlerliste präsentiert 56 Einzelkünstler, Duos und Gruppen, eine kleine Documenta der Simulation. Das Konzept, quasi als Firma in Erscheinung zu treten, oder - Alternative - nur noch industrielle Produkte zu arrangieren, vertreten die Kanadier General Idea, die Franzosen IFP und Ange Leccia. Deren fade Ironien versuchten die Ausstellungsmacher quasi nochmal zu überbieten, indem sie die Ausstellung selbst wie ein Industrieprodukt darbieten. Wie kommentierte einst ein Fahrradmechaniker mein Mißgeschick mit einer Schraube: „Nach ganz fest kommt ganz lose.“

Die Gegenüberstellung der „Firmen„-Emblem-Künstler mit den Amerikanern, die zwar sehr entschieden (eben fast: konzeptuell) arbeiten, aber vor allem doch überraschendes Material hervorbringen, wäre als Vorhaben schon schwierig genug gewesen. Dominiert aber wird die Ausstellung von deutschen Künstlern, die zum großen Teil noch ziemlich jung sind und offensichtlich noch schwer am kleinen Unterschied arbeiten. Das Thema Simulation, also die Aufhebung von Fiktion und Wirklichkeit, überfordert sie restlos. So zeigt etwa Stefan Demary aus Düsseldorf einen Kopf, verpackt in rotem Stanniol, sowie ein düsteres Wohnzimmerbild kleineren Formats, das zu einem großen Teil einfarbig übermalt wurde (Gemeinschaftsarbeit mit Rick Theunissen). Diese Objekte finden sich im selben Raum wie die von Ashley Bickerton: eine Verhöhnung des Amerikaners, dessen intellektuelle Akkuratesse kaum einen Dialogpartner findet, zur Zeit. Selbst in Amsterdam, wo die neuen Amerikaner Anfang des Jahres ziemlich vollständig gezeigt wurden („Horn of Plenty“), hatte er einen Raum für sich.

Nichts gegen den Nachwuchs. Man kann schon den Hamburger „Fallensteller“ Andreas Slominski mit dem in Berlin lebenden Israeli Eran Schaerf zusammenbringen oder den nicht mehr ganz so jungen Künstlern mit sehr entschiedenen Ikonographien eine Ausstellung widmen: Eberhard Bosslet, Ulrich Görlich. In Hamburg hat aber nicht das Konzept entschieden, sondern eine kaum nachvollziehbare Parteilichkeit. Es ist jedenfalls problematisch, wenn eine Ute Meta Bauer im Impressum des Katalogs als Mitarbeiterin erscheint, aber unter dem Pseudonym eines Duos namens „Stille Helden e.V.“ als Künstlerin „firmiert“.

Man wollte die neuen Amerikaner haben, aber bitte auch seine heimischen Favorites, und dann gab es wohl noch „Rücksichten zu nehmen“ auf die stillen Senatshelden in Berlin und Hamburg, die durchaus einige ihrer Stadtkünstler hochgelobt wissen wollen für ihr Geld. So werden die große Namen nicht gekauft aus Interesse an der internationalen Entwicklung der Kunst, sondern weil man hofft, daß sie abfärben. Es ist fast so, als hätte man die Talking Heads überreden können, als Vorgruppe für Stefan Krawzcyk zu spielen. Nur: das Publikum versteht nicht, was gespielt wird. Die Ausstellung ist weder Skandal noch Attraktion. Plötzlich wird mir klar, was die große Qualität des Ausstellungsmachers Harald Szeemann („Zeitlos“) ist, dem sein wachsender Konservatismus ja vorgeworfen worden ist: Er macht mir nichts vor.

Ulf Erdmann Ziegler

Bis 26. November täglich 10-18 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr, Montag geschlossen.

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