: Flüchtlinge als „Altfälle“
■ In Niedersachsen sollen 3.000 Flüchtlinge demnächst ein „dauerndes Bleiberecht“ erhalten
Hannover (taz) - Als „Akt der Humanität“ gilt dem Niedersächsischen Innenminister Josef Stock eine sogenannte „Altfallregelung für Flüchtlinge“, die das niedersächsische Landeskabinett noch in diesem Jahr verabschieden will. Als „Altfälle“ bezeichnete der Minister gestern die Flüchtlinge, „deren Aufenthalt in der Bundesrepublik aufgrund zu langer Asylverfahren kaum noch beendet werden kann“. Sie sollen durch die jetzt den niedersächsischen Kommunen zur Anhörung vorgelegte „Altfallregelung“ ein „dauerndes Bleiberecht“ in der Bundesrepublik erhalten. Um in den Genuß der Regelung zu kommen, müssen Flüchtlingsfamilien mit Kindern bis zum 1.10.1989 mindesten fünf Jahre in Niedersachsen gelebt haben. Alle anderen Flüchtlinge müssen für das Bleiberecht acht Jahre Aufenthalt nachweisen. Insgesamt werden dadurch etwa 3.000 Flüchtlinge auf Dauer in Niedersachsen bleiben können.
Innenminister Stock betonte gestern, daß die „Altfallregelung“ nicht für „Straftäter, Studenten, arbeitsunwillige Asylbewerber und andere Personen, deren Ausweisung geboten ist“, gelte. Es handele sich außerdem um „eine einmalige Stichtagsregelung“, in die man nicht hineinwachsen könne, sagte der Minister. Wer bis zum 1.Oktober nicht fünf bzw. acht Jahre in Niedersachsen gelebt habe, könne auch in Zukunft durch die Regelung keine Ansprüche auf ein Bleiberecht erwerben. Die niedersächsische „Altfallregelung für Flüchtlinge“ hatte Innenminister Stock schon Anfang dieses Jahres erstmals angekündigt, war dann aber auf Widerstand beim Niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht gestoßen, der eine gemeinsame Regelung aller Bundesländer befürwortete. Man habe zunächst eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt, sagte Josef Stock gestern, dies sei aber nicht gelungen. Die Länder Bayern und Baden-Württemberg hätten „jegliche Altfallregelung abgelehnt“. In anderen Bundesländern würden für das Bleiberecht längere Fristen von acht bzw. zehn Jahren gelten.
Jürgen Voges
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