: Ein kalter Krieger in der Zwickmühle
Nato-Generalsekretär Wörner sträubt sich gegen Pläne für reduzierte Militärhaushalte in Washington und London / Kürzungen im Pentagon zur Zeit nicht möglich / Trotz veränderter Situation im Ostblock bleibt Nato „unabdingbar“ / Gipfeltreffen am 4. Dezember ■ Aus Wien Andreas Zumach
Die 16 Staats-und Regierungschefs der Nato werden am 4. Dezember in Brüssel zusammentreffen, um über die Reaktion der westlichen Allianz auf die sich verändernde Lage in Osteuropa zu beraten. US-Präsident Bush wird die Alliierten über seine Gespräche mit dem sowjetischen Staatschef Gorbatschow am ersten Dezemberwochenende vor der Küste von Malta informieren. Das kündigte Nato-Generalsekretär Wörner am Montag abend gegenüber der taz in Wien an.
Wörner befand sich zu Gesprächen mit den Delegationsleitern der Nato-Staaten bei den Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa (VKSE) in der österreichischen Hauptstadt. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister äußerte sich sehr zurückhaltend und skeptisch zu den am Wochenende bekanntgewordenen Überlegungen der Regierungen in Washington und London für zum Teil drastische Kürzungen der Militärhaushalte. Die Erwägungen von US -Verteidigungsminister Cheney, das Pentagonbudget über die nächsten fünf Jahre um bis zu 180 Milliarden Dollar zu reduzieren, nannte der Nato-Generalsekretär eine „worst case option“ und betonte, daß „Entscheidungen noch nicht gefallen“ seien. Zwar wünsche auch er sich „mehr Sicherheit für weniger Geld“, doch sei dies „im Augenblick“ noch nicht möglich. „Einseitige Schritte auf der Seite des Schwächeren zu tun, wäre nicht der Weg zum Erfolg“, erklärte der Nato -Generalsekretär. Den Wandel in Osteuropa verbuchte Wörner als „großen Erfolg der Nato“ und wies die Kritik zurück, die westliche Allianz werde von den Entwicklungen in Osteuropa überholt und gerate zunehmend in eine Bremserrolle. Die Nato habe „kein Heimweh nach dem kalten Krieg“. Doch sei ihre Existenz „auf absehbare Zeit unabdingbar“. Sie sei ein „unerläßlicher Stabilitätsfaktor“ und „Bedingung für den weiteren Wandel in Osteuropa“, garantiere das „unentbehrliche Engagement der USA in Westeuropa“ und biete eine „Plattform für die Abstimmung“ mit einem „veränderten Warschauer Pakt“. Rahmenbedingungen unter denen die Nato langfristig nicht nur eine veränderte Rolle spielen, sondern ganz überflüssig werden könnte, sind für Wörner nicht vorstellbar. Selbst eine weitgehend abgerüstete UdSSR bleibe „die stärkste militärische und politische Kraft auf dem eurasischen Kontinent“. Daher bleibe „die Aufrechterhaltung eines Gegengewichtes erforderlich“. Wörner erklärte, daß sich der Wandel vor allem in der DDR „positiv“ auf die Wiener VKSE-Verhandlungen auswirke, nannte allerdings keine Einzelheiten. Er rechne mit einem Abkommen „im nächsten Jahr“. Überlegungen in der US-Administration, im Interesse eines baldigen Vertragsabschlusses die beiden schwierigsten Fragen der Flugzeuge und Truppen wieder von der Tagesordnung zu nehmen, wies der Nato-Generalsekretär als „zu früh“ zurück. Bei „entsprechendem politischen Willen beider Seiten“ seien diese Probleme in dem vorgesehenen Zeitrahmen „lösbar“.
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