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Zivis, Lauscher und Empörte

Vermischtes aus der Zukunftswerkstatt DDR  ■ E R E I G N I S D D R

Die ersten 25 Zivildienstleistenden der DDR arbeiten seit einer Woche im Dresdner Bezirkskrankenhaus. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, bei dem Erfahrungen für ein geplantes Zivildienstgesetz gesammelt werden sollen. Im Gegensatz zur BRD wird der Zivildienst mit 18 Monaten in der DDR nicht länger als der Militärdienst sein. Eine Gewissensprüfung soll es nicht geben. Auch die postalische Gewissensprüfung in Rostock wurde beendet: Im zentralen Briefverteilungsamt „Rostock II“ wurde kurzfristig eine ganze Etage mit Separatem geräumt, die im Postlerjargon „Herbert“ hieß und der Stasi zur Durchsicht sämtlicher Westpost diente. Neben Informationen hätte Herbert auch Urkunden und Geld aus den Briefen entwendet. Empört haben die Mitarbeiter des VEB Datenverarbeitungszentrum auf ein Krenz-Interview reagiert: Sie hätten die umstrittenen Ergebnisse der Kommunalwahlen am 7. Mai korrekt verarbeitet, schreiben die Statistiker in einem offenen Brief. Wenn manipuliert wurde, so ein Sprecher, dann auf dem Weg zwischen Wahllokalen und Zentralerfassung, „auf keinen Fall“ ganz oben. Die Basisdaten seien vernichtet. Verkürzte Ladenöffnungszeiten will der Köpenicker Rat einführen. Zur Zeit ist jeder dritte Arbeitsplatz im Köpenicker Handel unbesetzt. Statt Schuldvorwürfen gegen einzelne schnell nachzugehen, würden, so das 'Neue Deutschland‘, allgemeine „Hexenjagden“ gegen Parteimitglieder veranstaltet. Von einer Kollektivschuld der SED an der Krise könne jedoch keine Rede sein. Über eine zunehmenden Diskrimination von Volkspolizisten klagt Innenminister Lothar Arendt: Teilweise müßten sogar die Vopo -Familien Beschimpfungen erdulden. In Zukunft solle die Polizei bürgernah und transparent werden. Die Ämter von Innenminister und Polizeichef müßten getrennt werden. Über ein deutsch-deutsches Geheimabkommen spekulierten alle italienischen Tageszeitungen. Das Trauma Großdeutschland verdrängte sogar Gorbatschows Rom-Besuch von Seite 1. Keine Lust, Krenz-Nachfolger zu werden hat Wolfgang Berghofer: Er möchte Oberbürgermeister in Dresden bleiben. Um Mitternacht klingelte bei Wolf Biermann das Telefon. Die Ostberliner 'Neue Berliner Illustrierte‘ war am Apparat und bat um ein Interview. Der Dichter dankte: „Wenn ich mich nach 25 Jahren wieder in der DDR offiziell ausdrücke, dann durch meine Lieder und Gedichte, nicht durch Sprechblasen.“

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