: VANDALEN
■ Walter Grasskamp: "Unerwünschte Monumente - Moderne Kunst im Stadtraum"
„Unerwünschte Monumente“ heißt ein von Walter Grasskamp herausgegebener Band über „Moderne Kunst im Stadtraum“. Die Beiträge referieren die englische Debatte um die Rolle der öffentlich - an Bauwerken, auf Plätzen, in Parks ausgestellten Skulpturen in den 50er Jahren, die Auseinandersetzungen um die Aufstellung einer Henry-Moore -Plastik in Wuppertal und den ausgebliebenen Streit um eine Arno-Breker-Figur in einem Schulhof derselben Stadt. Dario Gamboni beschreibt, welche Skulpturen bei der VII. Schweizer Plastikausstellung 1960 das bevorzugte Objekt der Zerstörung waren. Er stellt fest, daß es weniger die Stilrichtung war, die den Vandalismus hervorkitzelte als vielmehr das Material. „Generell waren die Werke, die in einem Material ausgeführt worden waren, das man mit der herkömmlichen Skulptur oder mit dem Handwerk assoziierte, verschont geblieben, während die Skulpturen aus Eisen und vor allem aus verrostetem Eisen, die rein physisch mit der industriellen Welt oder mit einem Zustand der Verwahrlosung in Verbindung gebracht wurden, einen guten Teil der Gewalt auf sich gezogen haben.“ Die Vandalen hatten also nichts gegen Kunst. Was sie dafür hielten, verschonten sie. Sie zerstörten, was sich fälschlich dafür ausgab, in Wahrheit so ihre Sicht - aber nur ein Teil des unser Leben verunstaltenden Schrotts war. Wehrten sie sich mit ihrer Gewalt gegen die Ästhetisierung der uns angetanen Gewalt? Gamboni hält sich fern von solchen Spekulationen, er berichtet, was getan wurde. Es gibt auch keine Interviews mit den Tätern. Dennoch werden die Motive sehr deutlich. Nur durch die Analyse der Taten.
Die Vorstellung, in Berlin mit der Idee vom Skulpturenboulevard jüngst wiederbelebt, dem Volk die Kunst nahezubringen dadurch, daß man sie ihm in den Weg stellt, scheint ganz und gar abwegig. Gamboni meint, hier müsse sich zwangsläufig das Gefühl des Ausgeschlossenseins einstellen. Die „unfreiwilligen Besucher“ würden konfrontiert mit Dingen, die ihnen klarmachen, daß sie dumm sind. Die Figuren stehen da, strahlen Bedeutung aus, gelten als wichtig, waren teuer, aber der Passant weiß nicht, was das soll. Er wird mitten in seiner Umgebung mit einem Eindringling konfrontiert, dessen Sprache er nicht versteht, dessen Sprache - so seine ja nicht nur falsche Vermutung - er auch gar nicht verstehen soll. Er fühlt sich verstoßen aus seiner Straße, von seinem Boulevard. Hinzu kommt die rein physische Verdrängung. Da, wo jetzt die Skulptur steht, hat er vorher sein Auto parken, seinen Hund Gassi führen, sich mit dem Nachbarn unterhalten können. Er wird doppelt ausgeschlossen. Das muß Aggression wecken.
Walter Grasskamp: Unerwünschte Monumente - Moderne Kunst im Stadtraum. Verlag Silke Schreiber, 175 Seiten, S/w-Fotos, 38 DM
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