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Der „geordnete Übergang“ zur Demokratie

Am 14. Dezember wird in Chile ein neuer Präsident gewählt / Die Militärs geben die Regierung ab, aber nicht die Macht Der „geordnete Übergang“ von einer Militär- zu einer Zivilregierung bedeutet eine Niederlage der Linken  ■  Von Gaby Weber

Santiago de Chile (taz) - Bei den ersten Präsidentschaftswahlen nach 16 Jahren Militärdiktatur wird der Kandidat der Opposition aller Voraussicht nach gegen die beiden Kandidaten des Militärs gewinnen. Danach wird man in Nordamerika und in Westeuropa erleichtert vom „Sieg der Demokratie“ reden und die Solidaritätsbewegungen mitleidig belächeln. „Folter“ und „Exil“ werden keine Themen mehr sein, die Akte Chile darf selbstgefällig geschlossen werden. 16 Jahre lang hat man in Chile das Ende der Diktatur herbeigesehnt, doch nun, da die Tage der Militärherrschaft gezählt sind, hält sich in Santiago die Begeisterung in Grenzen. Nach dem Wahlausgang befragt, zucken die Taxifahrer die Schultern. Die Meinungsumfragen hätten längst den überwältigenden Sieg der Opposition vorausgesagt, mit Überraschungen sei nicht zu rechnen.

Nach jahrelangem Streit hatte sich im Juli dieses Jahres ein Wahlbündnis von 17 Parteien unter dem Namen „Concertacion por la Democracia“ auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten geeinigt: Patricio Aylwin. Der 71jährige gehört zum rechten Flügel der Christdemokratischen Partei (PDC). Fast die gesamte Linke beißt in den sauren Apfel und hat zu seiner Wahl aufgerufen, auch die KP, die von der PDC aus dem Oppositionsbündnis ausgeschlossen war. Nicht nur aus taktischen Gründen hat man vor den Wahlen kein böses Wort über Aylwin und seine Kollaboration mit den Militärs fallen lassen. Die revolutionäre Linke und alle früheren Parteien der Volksfront befinden sich in einer schweren ideologischen Krise. Nach vielen Jahren Gefängnis oder Exil stimmen ihre alten Antworten nun nicht mehr: Schlagworte wie „Enteignung“, „Vergesellschaftung“, „Revolution“ oder „Sozialismus“ haben angesichts der Veränderungen in den 'realsozialistischen‘ Staaten ihren Glanz verloren. Man redet von „Demokratie“ und „Frieden“.

16 Jahre Diktatur, 16 Jahre Angst vor Denunziation, Verhaftung und Folter, 16 Jahre Zensur haben vieles verändert. Ziel der gestürzten Volksfrontregierung war eine Verbesserung der Lebensbedingungen aller Chilenen. Heute, nach 16 Jahren Diktatur, ist Gesundheit und Bildung wieder das Privileg einer Klasse. Abtreibung und Ehescheidung sind verboten, und selbst das verbale Einfordern solcher Rechte wurde unter Strafe gestellt. Die alten Hoffnungen sind begraben. Man beschränkt sich auf das „Machbare“. Die politischen und militärischen Rezepte der Linken, wie Pinochet zu vertreiben sei, haben sich als untauglich erwiesen. Einen anderen Weg aus der Diktatur als den Übergang zur „überwachten“ Demokratie unter der Führung der Christdemokratie kann auch die Linke nicht weisen.

Die früheren Volksfront-Parteien - die KP und die weiter links stehenden Sozialisten - hatten auf Pinochets Putsch im September 1973 panisch reagiert. Ihre führenden Leute, meist aus der Mittelschicht, stürmten die Botschaften - und gingen ins Exil. Widerstand schien angesichts der Übermacht unmöglich. Während die Sozialisten sich im Exil weiter spalteten und sozialdemokratisierten, setzte die KP erfolglos - auf eine „antifaschistische Front“ mit den Christdemokraten. Erst 1980, nach dem verlorenen Plebiszit, rief die KP überraschend zu „allen Formen des Widerstands“ auf. Drei Jahre später begann ihre „Frente Patriotico Manuel Rodriguez“ mit dem bewaffneten Kampf. Das Jahr 1986 wird für die KP zum „entscheidenden Jahr“: Das Attentat auf Pinochet scheitert, die Frente spaltet sich ab und wird von Pinochet gnadenlos verfolgt, die soziale Mobilisierung läßt nach und die PDC verhandelt mit dem Regime über einen „geordneten Übergang“ zur Demokratie.

Die „Bewegung der Revolutionären Linken“ (MIR) hatte von Anfang an auf bewaffneten Widerstand gesetzt. Ihre Methode hieß: Stadtguerilla. Mit Anschlägen auf Militärs, Banküberfällen und Sabotageaktionen sollten die Bedingungen für einen Volksaufstand geschaffen werden. Der militärische Erfolg war gleich null, sagt heute Andres Pascal Allende, langjähriger MIR-Generalsekretär und Neffe des 1973 ermordeten Präsidenten. Auf der Suche nach den Gründen des Scheiterns hat sich der MIR gespalten.

1.500 MIRistas starben im bewaffneten Widerstand. Für den wahrscheinlichen Wahlsieger Aylwin sind sie „Terroristen“, ebenso wie die Überlebenden des MIR. Viele von ihnen sind in Haft und können kaum mit baldiger Entlassung rechnen: Amnestie werde es nur für „Gewissensgefangene“ geben, die keine Gewalt angewendet hätten, heißt es im Regierungsprogramm Aylwins. Das sind höchstens 40 der insgesamt 520 politischen Gefangenen. Alle übrigen werden wohl weiter hinter Gittern auf die Sonne der Demokratie warten müssen.

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