: Worthülse Sozialismus
Entwicklungshilfe für die DDR / Verteidigungsminister gegen Militärparaden ■ E R E I G N I S D D R
Die DDR-Opposition hat auch vor nichts Respekt: Das Wort Sozialismus soll nach Auffassung der Gruppe „Demokratie Jetzt“ als Worthülse aus dem Sprachgebrauch gestrichen werden. Begründung: die Verwendung dieses Begriffes trage zu einer Verbreiterung der Kluft zwischen Bevölkerung und Opposition bei. Ungeachtet solcher Befürchtungen sprachen sich 52 Prozent der DDR-BürgerInnen in einer repräsentativen Meinungsumfrage von 'adn‘ gegen eine Wiedervereinigung aus: 23 Prozent sind strikt dagegen, 29 Prozent sind eher dagegen als dafür, 32 Prozent sind eher dafür und lediglich 16 Prozent sprechen sich klar für ein „einig Vaterland“ aus.
Auf den Stand eines Entwicklungslandes ist die DDR offenbar in den Augen des Notärztekomitees gesunken. Die agile Hilfsorganisation will nicht nur Hilfsgüter in die Hungerländer Sudan und Äthiopien schicken, sondern auch ÄrztInnen und Krankenschwestern in die DDR. 900 Emmchen erhalten sie monatlich während ihres halbjährigen Einsatzes
-genau wie in der Dritten Welt. Für diese unorthodoxe Sicht der Dinge könnte auch die Tatsache sprechen, daß in der Landwirtschaft die Traktoren in der Regel älter sind als die Fahrer.
Auch das Verteidigungsministerium in Ost-Berlin rüttelt an lieben Gewohnheiten: Die Militärparaden, wie sie zuletzt am 40.Jahrestag der DDR stattfanden, sollen abgeschafft werden. Zum nächsten runden Geburtstag der Republik, so der in die Zukunft schauende Minister Hoffmann, sei die Nationale Volksarmee möglicherweise bereits so klein, daßdie uniformierten Aufmärsche gar nicht mehr stattfinden können. Mit dazu beitragen wird ein neues Gesetz über den Zivildienst, der vielleicht schon im Mai nächsten Jahres endlich möglich wird. Die Verringerung der Sicherheitskräfte sollte jedoch ohne Kurzschlußhandlungen wie die eines Stasi -Offiziers von statten gehen, der sich offenbar aus Angst erschoß, als in Suhl Mitglieder des Neuen Forums und die Bevölkerung das Gebäude des Sicherheitsdienstes besichtigten.
Festhalten an vertrauten Gesichtern möchte der Schriftstellerverband der DDR. Der Vorstand sprach am Freitag seinem umstrittenen Vorsitzenden Hermann Kant das Vertrauen aus. Im März soll dann auf einem außerordentlichen Kongreß ein neuer Vorstand gewählt und ein neues Statut verabschiedet werden.
Ganz entspannt im Hier und Jetzt soll offenbar der SED -Parteitag stattfinden. Der Bagwan-Fan und Autor der „Alternative“, Rudolf Bahro, soll dort Rederecht erhalten.
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