piwik no script img

Schneewittchenapfel für Bürgermeister Wedemeier

■ Bremer Bauunternehmer bieten dem Bürgermeister 1.000 Wohnungen an / Preis: Schluß mit den Öko-Faxen

Märchenstunde auf der gestrigen Landespressekonferenz. Zwei Bauunternehmer und ein Makler packten als Abgesandte der „Arbeitsgemeinschaft der freien und privaten Wohnungsunternehmen im Lande Bremen“ (ARGE) ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für den Bürgermeister aus. In den nächsten zwei Jahren wollen die ARGE-Unternehmen jährlich 500 Wohnungen zusätzlich bauen

und „auf der Grundlage von Selbstkosten der Stadtgemeinde Bremen zur festen Anmietung auf zehn Jahre zur Verfügung“ stellen. Erschließungs-und Bebauungspläne wollen die Unternehmen über private Firmen erstellen lassen, um, wie es offiziell heißt, „die unterbesetzten Ämter“ zu entlasten. „Die akute Wohnungsmisere, gerade im Bereich der Übersiedler und sozial Schwa

chen, kann uns als Vertreter der freien und privaten Wohnungsunternehmen nicht gleichgültig sein,“ so ARGA -Referent Eberhard Bruss vor den versammelten JournalistInnen.

Zwei Bedingungen knüpfen die Bauwütigen an ihr Angebot: Bremen stellt die nötigen Grundstücke zur Verfügung (die nach Ablauf der zehn Jahre von den Unternehmern gekauft werden können) und verzichtet auf die wesentlichsten ökologischen Grundlagen im Wohnungsbau. „Daß solche Neuplanungen unter besonderer Güterabwägung zwischen Ökologie und Okonomie erfolgen muß, ist selbstverständlich“, wissen die Unternehmer.

Besonderes Unbehagen bereitet dabei das „Konzept zur Verminderung der Bodenversiege

lung“. Diese „überzogenen Umweltmaßnahmen“ (Makler Michael Bongartz) könnten vermieden werden, wenn der Umweltsenatorin die Kompetenz für die Flächennutzungspläne entzogen und zusammen mit den Bebauungsplänen in die Hände eines starken Bausenators gelegt würden. Zweites lästiges Öko-Anhängsel: Ein Merkblatt des Bebauungsamtes. Der dort festgelegte Baumschutz, das Bremische Wassergesetz, Bodenabgrabungen und - lagerungen, Grünland, Wiesen, Äcker: alles soll im Zeitalter der größten Wohnungsnot am besten unbürokratisch den Planierraupen der selbstlosen Unternehmer zum Opfer fallen.

Freiflächen in Arsten, Osterholz-Tenever und Findorff haben sich die Baudynamiker bisher als potentielle Bebauungsgebiete au

serkoren, und das Angebot, das sie dem Bürgermeister in einem Schreiben vom 4. Dezember unterbreitet haben, ist angesichts der akuten Notlage auf dem Wohnungsmarkt mehr als verlockend. Dabei wollen die Unternehmer nur das billige Geld aus dem Fond der Kreditanstalt für Wiederaufbau jetzt verbauen, den öffentlichen Wohnungsbau privatisieren und gleichzeitig Breschen in die lästigen ökologischen Nischen der Bauordnung schlagen. „Wir bauen mindestens genauso gut, aber billiger als die Öffentlichen Gesellschaften“, betonte Karl Grabbe, Vorsitzender der ARGE.

„Wir haben in vergangenen Jahren kontinuierlich Wohnungsbau betrieben, und damit letztlich durch die damit verbundenen Sickereffekte Mietwohnungen frei

gemacht.“ behauptete Eberhard Bruss gestern immer noch hartnäckig, obwohl seriöse Untersuchungen von Angestelltenkammer und Mieterschutzbund mittlerweile festgestellt haben, daß dieser „Sickereffekt“ nicht zustande kam. Durch die Förderung des privaten Haus-und Wohnungsbaus auf Eigentumsbasis, so die „Sickertheorie“, würden nach Fertigstellung jeweils angemessene Mietwohnungen frei für eine nachrückende, bedürftige Familie. Auch diese Familie sehne sich bald nach dem eigenen Häuschen, und schon werde wieder eine Wohnung frei.

Lohnen würde sich das wahrscheinlich, denn in den letzten 20 Jahren sind die Bremer Mieten um 250 Prozent gestiegen. Nur: Es funktioniert eben nicht.

Markus Daschne

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen