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Jugendgefährdend

■ Nach Frears hat jetzt auch Forman die „Gefährlichen Liebschaften“ adaptiert / Sein Film heißt „Valmont“

Hinfällig ist der Film nicht erst im Vergleich zu Frears‘ Gefährlichen Liebschaften, der es nur deutlicher macht. Die beiden Filme basieren auf demselben Stoff, Choderlos de Laclos‘ Liaisons dangereuses. Frears hat einen Film draus gemacht, Forman hat ihn nur verfilmt. Bezeichnend, daß sich Forman dabei weniger eng an die Vorlage hält als Frears. Er klebt dem Roman einen Schluß an, für den ihn Laclos zum Duell gefordert hätte: Valmont darf posthum über die Machinationen der Marquise de Merteuil triumphieren. Die gerade 15jährige Cecile trägt einen kleinen Valmont unter ihrem Herzen und heiratet den Comte de Gercourt ausgerechnet eine Hochzeit als Happy-End. Cecile ist also nicht, wie bei Laclos, aufs Kloster als letzten deprimierenden Fluchtort verwiesen, den das 18.Jahrhundert einem gefallenen Mädchen bot, sie ist nicht, wie bei Frears, entehrt und krank - die Grausamkeit der Marquise de Merteuil bleibt letztlich macht- und folgenlos.

Genau darin offenbart sich Formans alte latente Frauenfeindlichkeit - man erinnere sich, daß im Kuckucksnest ausgerechnet eine Krankenschwester als Personifikation des Unterdrückungsapparats herhalten mußte: Forman raubt der Marquise die letzte Waffe. Weder läßt er ihre Grausamkeit als Rachestrategie des schwachen Geschlechts gelten noch als wesentliches Ingredienz ihrer Liebe zu Valmont, als deren Gegensatz er sie vielmehr behandelt. Denn Anette Bening spielt die Marquise in Valmont als Gefühlskalte, zur Liebe Unfähige, die nur darum platterweise grausam ist. Anders als Glen Glose in Gefährliche Liebschaften - die Maske ist, weil sich ihre Affektion sonst verraten würde, und die das darstellen kann - hat die Marquise in Valmont nicht eine einzige Sekunde der wahren Empfindung - Anette Bening ist nichts als durchtriebenes Lächeln, böses Funkeln, allzu durchschaubare Heuchelei. Ebenso eindimensional wirken entgegen den Behauptungen des Presseheftes auch die anderen Figuren. Cecile (Fairuza Balk): ein plumper amerikanischer Backfisch; Madame de Tourvel (Meg Tilly): nicht fromm und stolz, keine Festung der Tugend, sondern schlicht bieder und ängstlich. Daß Valmont (Colin Firth) sich von ihr angezogen fühlt, erklärt sich allenfalls durch seine eigene Mittelmäßigkeit.

Valmont ist also nicht nur moralisch verwerflich - man sollte ihn als jugendgefährdend einstufen, wegen fahrlässiger Verharmlosung des Geschlechterkriegs -, sondern vor allem künstlerisch ein Bankrott: nichts kapiert, schlecht besetzt, schlecht gespielt, schlecht ge macht, eine 35-Millionen-Dollar-Verschwendung. Stephen Frears‘ Gefährliche Liebschaften läuft noch in den Programmkinos.

thc

Valmont. Von Milos Forman. Drehbuch: Jean-Claude Carriere. Kamera: Miroslaw Ondricek. USA 1989, 136 Min.

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