piwik no script img

Alltag im besetzten Haus Kaufverhandlungen dauern an

■ Decken, Betten, warmes Essen für BesetzerInnen

Am dritten Tag der Besetzung werden die BewohnerInnen des Hauses Fedelhören 45 von den Alltagsproblemen eingeholt. Die Möbeln, die dem Verein für Wohnungshilfe von der solidarischen Bevölkerung angeboten werden, müssen abgeholt werden. Ein LKW des Vereins Arbeit e.V. holt in Zeven zwanzig ausrangierte Betten (inklusive Matratzen) der dortigen Jugendherberge ab. Die Decken kommen aus dem Bremer DJH Bestand. „Die Resonanz auf unseren Aufruf ist gut“, freute sich gestern Anne Löhr vom Verein für Wohnungshilfe, „was wir jetzt unbedingt noch brauchen, sind Töpfe, Geschirr und Besteck.“

Das Essen kommt zur Zeit per 50-Liter-Eimer aus der Küche des „Essen auf Rädern“. Die Erbsensuppe wird in Plastikschälchen gelöffelt, was übrig bleibt, kann auf dem Gasherd in der Küche abends nochmal warm gemacht werden. In der Küche muß improvisiert werden: kein Tisch, keine Abstellflächen, keine Schränke. Noch kann in den Räumen geheizt werden, doch das Öl in den Tanks im Keller geht zur Neige: Knapp 350 Liter zeigte die Anzeige gestern Morgen. Wasser und Strom sind vorerst durch Fürsprache des Sozialamtes gesichert.

Die Verhandlungen zwischen der Behörde und dem Handlungs

bevollmächtigten der Stuttgarter Immobilienfirma, Rolf Kirchner, laufen unterdessen hinter verschlossenen Türen. Wolfgang Golinski vom Amt für Wohnungshilfe wollte gestern „bis zum endgültigen Abschluß der Verhandlungen“ keine Auskünfte geben. ebenso bedeckt gab sich Kirchner, der gegenüber der taz lediglich mitteilte, daß es bei den Verkaufsverhandlungen „nicht um Geld“ geht, sondern um „rechtliche Fragen.“ Spätestens nächsten Montag soll eine entgültige Entscheidung über das Haus fallen. 600.000 Mark Kaufsumme sind im Gespräch, zusätzlich müßten mögliche Auflagen des Denkmalschützers einkalkuliert werden.

Langfristig wollen die BesetzerInnen und die unterstützenden Vereine ein selbstverwaltetes Wohnprojekt für Drogenabhängige, Nichtseßhafte und andere Menschen aufbauen, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance haben. Und die Aussichten sind günstig: Eine Räumungsklage beim 6. Polizeirevier ist wieder zurückgezogen worden, die beteiligten Parteien sitzen am Verhandlungstisch. Der Bedarf ist riesengroß: Heute wollen weitere 15 BewohnerInnen des geräumten Hotels „Alter Senator“ ins Haus Fedelhören 45 ziehen. Markus Daschne

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen