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Bonn wußte von Giftgasfabrik

■ Telex der deutschen Botschaft in Moskau warnte schon im Juli 1985 vor dem Giftgasprojekt in Libyen / Grüne: Ein Anruf beim Salzgitter-Konzern hätte genügt

Bonn (taz) - Das Auswärtige Amt sei spätestens am 7. Juli 1985 über den mit bundesdeutscher Hilfe geplanten Bau einer Giftgasanlage in Libyen informiert gewesen. Bonn habe sich aber dumm gestellt und die Firmen Imhausen und Salzgitter -Konzern, trotz fortgesetzter Interventionen der USA, gewähren lassen. Diese Vorwürfe erhoben gestern Helmut Lippelt vom Fraktionsvorstand der Grünen in Bonn und die Abgeordneten Christa Vennegerts und Angelika Beer.

Nach Informationen von Panorama habe die Giftgasfabrik in Rabta schon in der ersten Jahreshälfte 89 die Produktion des Giftgases Lost in erheblichem Umfang aufgenommen. Die Verantwortung hierfür und für den Tod der potentiellen Opfer eines Giftgaseinsatzes trage die Bundesregierung, heißt es in einer Erklärung der grünen Abgeordneten.

Die Grünen verweisen auf das Telex der deutschen Botschaft in Moskau über den „Verdacht der Lieferung einer Giftgasanlage nach Libyen“. In diesem Telex vom Juli 1985 warnte die Moskauer Botschaft aufgrund ihrer Informationen aus dem Salzgitter-Konzern vor einem „pharmazeutischen Projekt“, bei dem es in Wahrheit um eine Giftgasfabrik geht. Wörtlich heißt es in dem Telex: „Sonderwünsche des Auftraggebers und die gewünschte Geheimhaltung lassen auf die Produktion von Giftgas schließen.“ Die Botschaft hatte diese Information von einem Salzgitter-Mitarbeiter in Moskau erhalten, der sich wiederum auf den Salzgitter-Manager Georg Sobotta beruft.

Am Mittwoch hatte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Adam-Schwaetzer in der Regierungsbefragung bestätigt, daß Bonn das fragliche Telex erhalten habe. Die Grünen werfen der Bundesregierung allerdings vor, daß sie dies dem Bundestag bisher verheimlicht habe. Bundesinnenminister Schäuble habe lediglich von vagen Vermutungen in einem Moskauer Telex gesprochen. Die Tatsache, daß diese Telex -Informationen auf maßgebliche Mitarbeiter des Salzgitter -Konzerns zurückgehe, sei jedoch verschwiegen worden. Dies gebe dem Skandal eine völlig neue Wende. Nach Schäubles Bericht, so die Grünen, habe Bonn erst im Sommer 1988 konkrete Hinweise auf eine Verwicklung des Salzgitter -Konzerns in die Giftgas-Affäre erhalten. Dies sei „eine unglaubliche Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit“. Ein einziger Anruf des Auswärtigen Amtes bei „Salzgitter“ hätte schon im Juli 1985 die Errichtung der libyschen Todesfabrik stoppen können.

Die Grünen haben jetzt eine Sondersitzung des Auswärtigen und des Haushaltsausschusses beantragt, um die Rabta-Affäre weiter aufzuklären.

-man

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