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Neue Freunde gibt's nicht umsonst

■ Israel knüpft Bedingungen an den Wunsch der DDR-Regierung, diplomatische Beziehungen aufzunehmen

Bedingungslos hofieren lassen möchten sich die Israelis nicht; verlangt werden die Anerkennung der Mitschuld am Holocaust sowie umfangreiche Reparationszahlungen. Obwohl die DDR das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser gleichwohl anerkennt, setzt sie auf die Furcht der Israelis vor der Wiedervereinigung.

Das Thema Wiedervereinigung beider deutscher Staaten hat nun auch die israelische Öffentlichkeit im Griff. Jetzt, wo die DDR angeblich bereit ist, die Mitschuld am Holocaust anzuerkennen und Reparationszahlungen in Erwägung zu ziehen

-die DDR wird dies im Januar, so heißt es in israelischen Pressemeldungen, bekanntgeben -, ist auch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen kein Tabu mehr. Für die Aufnahme solcher Beziehungen zwischen beiden Ländern waren die Anerkennung der Mitschuld am organisierten Mord am jüdischen Volk und die finanzielle Entschädigung immer die Grundvoraussetzungen gewesen. Die Lösung beider Fragen würde nun den Weg für eine Annäherung zwischen der DDR und Israel ebnen.

Gestern nun bekräftigte DDR Vizeaußenminister Winter den Wunsch seines Landes, diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Auch sei die DDR zu Verhandlungen über „humanitäre Hilfe“ für die vom Nationalsozialismus Verfolgten bereit. Bei ihren Gesprächen in Ost-Berlin am Dienstag in Potsdam hatten US-Außenminister James Baker und Ministerpräsident Hans Modrow dieses Thema angeblich bereits angeschnitten, wobei sowohl Modrow als auch DDR-Außenminister Fischer versprochen haben sollen, „alle diesbezüglichen Probleme, die Reparationen betreffend, zur Zufriedenheit aller Seiten zu lösen“. Die 'Jerusalem Post‘ nimmt an, daß eine amtliche Erklärung der DDR zum 45. Jahrestag der Befreiung aus Auschwitz am 27.Januar erfolgen könnte.

Oskar Fischer hatte in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, daß die DDR bereit sei, die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Die israelische Regierung jedoch hat sich bisher geweigert, diesen Vorschlag zu akzeptieren: Israel werde diplomatischen Beziehungen lediglich unter der Voraussetzung zustimmen, daß die DDR (in Israel immer noch „Ost-Deutschland“ genannt) die Verpflichtung eingeht, Wiedergutmachungsgelder zu zahlen und die moralische Mitverantwortung für den Holocaust zu übernehmen - so wie es die Bundesrepublik vor etwa 35 Jahren getan hat.

Bereits im Oktober 1988 hatte Staats- und Parteichef Erich Honecker dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, versprochen, das Problem der Reparationszahlungen und die Frage der Anerkennung der Mitschuld zu lösen. Dabei waren Zahlungen in Höhe von 500 Millionen Dollar im Gespräch. Woher die DDR diese Summe nehmen, wenn nicht borgen soll, ist bis heute ungeklärt. Die DDR jedenfalls hofft auf Unterstützung der USA und der von Washington kontrollierten Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF). In diesem Zusammenhang wurde die Frage der Bedingungen, die erfüllt werden müßten, um die offiziellen Beziehungen zwischen Israel und der DDR zu realisieren, mit James Baker und seinen Mitarbeitern aus dem State Department in Potsdam jetzt neu erörtert.

Vor zwei Tagen hatte der Dachverband der Organisationen der Überlebenden des Holocaust in Tel Aviv von der Jewisch Claims Conference gefordert, die Verhandlungen mit den DDR -Behörden sofort aufzunehmen und die DDR dazu zu bringen, Reparationen zu zahlen, wie es die Bundesrepublik seit langem tut. Nur durch die Anerkennung der Schuld am Holocaust und durch Reparationszahlungen könnten die DDR -Behörden unter Beweis stellen, daß sich die politischen Verhältnisse in der DDR tatsächlich verändert haben. Danach könnte es durch die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der DDR zu einer Normalisierung kommen.

In einem Interview mit der 'Jerusalem Post‘ vom Mittwoch sagte DDR-Kulturminister Keller, die Zusage von Reparationen für die Überlebenden des Holocaust könnte zu diesem Zeitpunkt erfolgen, die Zahlungen selbst könnten aber aus wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht getätigt werden; das Problem sei aber später lösbar. Noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, so Minister Keller, gebe es die Möglichkeit der Zusammenarbeit zum Beispiel auf wirtschaftlichem Gebiet und im Bereich des Kulturaustausches. Die DDR sei an Kapitalinvestitionen und Krediten interessiert; falls Israel diesbezüglich Vorschläge habe, werde die DDR-Regierung derlei Angebote prüfen - auch wenn es einstweilen noch keine diplomatischen Beziehungen gebe.

Mit Schuldgefühlen erzogen

Keller gab zu bedenken, daß Israel und die DDR ein Kulturabkomen aushandeln und Vertreter ernennen könnten, die solche Verhandlungen führen könnten. Zur Frage der Nazikriegsverbrechen sagte Keller: „Wir sind in einer Zeit geboren, in der wir persönlich für all die Verbrechen gegen die Juden nicht verantwortlich waren. Meine Generation wurde jedoch mit Schuldgefühlen erzogen. Nicht nur meine Generation, sondern auch die unserer Kinder und Kindeskinder werden diese Schuld gegenüber anderen Völkern und speziell dem jüdischen Volk gegenüber tragen. Wir können jetzt die Verbrechen, die an dem jüdischen Volk begangen worden sind, nicht ungeschehen machen. Wir können lediglich eine Politik auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung initiieren.“ Befragt nach der Haltung der offiziellen DDR zum Existenzrecht Israels, erklärte Minister Keller: „Wir erkennen das Recht des jüdischen Volkes auf seinen eigenen Staat an, auf seine Souveränität, so wie wir auch der Meinung sind, daß das palästinensische Volk vielleicht eine Chance hat, irgendwo sein Heim zu haben.“ Schließlich versprach Keller, alles daranzusetzen, den Antisemitismus in seinem Land zu bekämpfen und „unsere Kinder und Enkel in diesem Geist zu erziehen“.

Angst vor der Wiedervereinigung

Indes hat am Mittwoch der Botschafter der Bundesrepublik in Israel, Wilhelm Haas, in Jerusalem erklärt, daß es keinerlei Legitimation für einen „separaten ostdeutschen Staat“ mehr geben wird, wenn die DDR das kommunistische Regime abgeschafft habe. Die jüngsten Entwicklungen in der DDR hätten bewiesen, daß es sowas wie eine sozialistische deutsche Nation und eine kapitalistische deutsche Nation nicht gibt - daß nur eine einzige deutsche Nation existiert. Wenn sich das kommunistische Regime „Ost-Deutschlands“ nicht reformiere, werde der Ruf nach der deutschen Einheit wohl lauter werden.

„Die Bundesrepublik wird nicht ohne weiteres jenen Ruf nach Einheit, der aus der DDR herüberhallt, ablehnen können“, meinte der Botschafter, der seine einleitenden Worte auf hebräisch sprach, und betonte, daß er an den Verstand seiner Zuhörer und nicht an ihre verständlichen Emotionen appelliere, wenn er von der Zukunft der Deutschen rede (die jüdische Bevölkerung Israels reagiert meist heftig auf Berichte über eine mögliche deutsche Wiedervereinigung). Botschafter Haas versicherte, daß es unklug wäre, die Deutschen an ihrer Einigwerdung zu hindern. Weder bedrohe ein geeintes Deutschland die europäische Zusammenarbeit, noch störe es den Weltfrieden.

Amos Wollin, Tel Aviv

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