: Attentat auf Herrhausen
Nachdem der Weltkommunismus in seine entscheidende Abdankungsphase getreten und damit die größte Hoffnung auf eine heilsbringende Gesellschaftsordnung zerstört ist, stellen sich dem Kapitalismus nurmehr zwei ernsthafte Feinde in den Weg: Die Rote Armee Fraktion (RAF) und der Herzinfarkt (HIF). Beide schlagen schwer berechenbar und scheinbar sinnlos zu, treffen aber jedesmal die militärisch -industriellen Komplexe (MIKs) des Kapitalismus mitten im Zentrum.
Mit dem Ausradieren von Benningsen-Förde und Herrhausen ist den beiden Organisationen jeweils ein Überraschungsschlag gegen zentrale Figuren der Rüstungs- und Atommacht gelungen. Im Unterschied zum HIF, der sich traditionell einer Begründung seiner Aktionen enthält und es den Dienern des Kapitals (der Ärzteschaft) überläßt, die Funktionsweise der parasitären Bourgeoisie selbst offenzulegen (Verfettung durch Vielfraß, Streß durch Rastlosigkeit bei der Ausbeutung, zuviel Arbeit beim Ziehen der Weltkapitalismusfäden), hat die RAF auch diesmal wieder eine Begründung nachgeschoben. Das ist einerseits erfreulich, denn beim Lesen der Bekennerschreiben zu den Anschlägen auf Beckurts und Braunmühl haben wir Tränen gelacht über soviel in Begrifflichkeiten verpackten Blödsinn. Das reicht schon fast an Heidegger ran, wenn es ihn nicht übertrifft.
Leider fehlt aber expressis verbis den Bekennerschreiben die den Taten des HIF immanente Begründung, daß der Tod eines Individuums keine Begründung braucht. Durch diesen Umstand wird die kapitalistisch begründete Tatsache, daß täglich durch deutsche Waffen und deutschen Sprengstoff nicht nur ein Dr.Herrhausen, sondern überall und vor allem woanders getötet wird, verschleiert. Durch eine solche Tötung und ihre absurden Begründungsversuche werden die genannten weiteren Mordtaten deutscher Produktion weder gesühnt noch verhindert noch überhaupt ein Zusammenhang erkennbar.
Durch das begründete und verständliche Entsetzen fast aller Menschen, die eine solche Tat sehen, werden vielmehr die Zusammenhänge in den Hintergrund gerückt. In dieser Hinsicht sollte die RAF also vom HIF lernen: Der vom HIF verübte Mordanschlag auf Benningsen-Förde hat hier und da Trauer ausgelöst, doch für keine Sekunde den Blick derjenigen getrübt, die ihm politisch nicht nahestanden. Statt irgendwelcher dubioser Kommandonamen von Leuten, die sich gegen RAF-Vereinnahmung sowieso nicht mehr zur Wehr setzen können, sollte die RAF in Zukunft am Tat- und Todesort nur folgende dem Herzinfarkt angenäherte Erklärung hinterlassen: „Kommando: 'Immer dran denken, wie schnell's vorbei sein kann'“. Dann isses auch nicht schlimm, wenn mal ein Fahrer oder ein Kind oder so hoppsgeht. Das ist mit deutschen Waffen in aller Welt auch so. Und das Leben geht weiter.
Thomas von Mentheim, Marburg
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