Ceausescu - Mörder!

Internationale Proteste reichen nicht mehr  ■ K O M M E N T A R E

Wenn jetzt auf den Straßen Temeswars Dutzende oder vielleicht sogar Hunderte Tote liegenbleiben, wenn jetzt scharf auf Demonstranten geschossen wird, dann reicht es nicht mehr aus, den Diktator Ceausescu für das Massaker auf dem Freiheitsplatz verantwortlich zu machen und ihn wieder einmal zu entlarven. Auf die Anklagebank gehören auch jene, die angesichts der seit Jahren aufgedeckten Menschenrechtsverletzungen, den Dorfzerstörungen, den vielfältigen Repressionen gegenüber den nationalen Minderheiten, den Arbeitern in Brasov, den oppositionellen Intellektuellen oder Pfarrern in den Kirchen, der Handvoll Mutigen in der Partei stillhielten und weiterhin diplomatische Beziehungen pflegten, weiterhin Handel trieben und damit das Regime des Conducators unterstützten. Und das gilt gleichermaßen für Ost und West.

Konnten sich die EG und die USA im vorigen Jahr gerade einmal dazu entschließen, die Handelspräferenzen und die Meistbegünstigungsklausel gegenüber Rumänien auf dem Papier zu streichen, so gelang es dem Diktator doch, Wege für seine Lebensmittelexporte auf die westlichen Märkte zu finden. Und das, obwohl in aller Welt bekannt ist, daß diese Politik auf Kosten der Versorgung der rumänischen Bevölkerung geht. Angesichts der Schuldenkrise bei anderen Ländern des Blocks dankten die Banken für den prompten Schuldendienst. Beschämend sind auch die tauben Ohren, auf welche die Aufrufe zum Protest gegen Ceausescu bei den Linken hierzulande stießen, zuletzt am 15. November, als weltweit an die brutale Niederwerfung des Aufstands von Brasov (Kronstadt) 1987 erinnert wurde.

Mag sein, daß Gorbatschows langer Arm in Leipzig und auch in Prag Schlimmeres verhinderte. In Rumänien jedenfalls stehen leider keine sowjetischen Truppen, die gegen eine „chinesische Lösung“ zu mobilisieren wären. Mag auch sein, daß der Konflikt in Moldawien, wo die rumänische Bevölkerung vehement ihre Minderheitenrechte einfordert, in Moskau nicht gern gesehen ist. Selbst auf das Risiko hin, daß die moldawische Bevölkerung mit einem Rumänien ohne Ceausescu vereinigt werden möchte, hätte Gorbatschow schon seit langer Zeit klare Worte an die Adresse Bukarests richten müssen. Doch nicht einmal zum kürzlich abgehaltenen Jubelparteitag für Ceausescu konnte sich Moskau zur offenen Kritik entschließen. Es mag oftmals gute Gründe für die „stille Diplomatie“ geben: im Falle Rumäniens jedenfalls hat sie versagt.

Von innen heraus stehen die Karten für den Sturz des Diktators schlecht. Weder die Partei, die sich dem feudalistischen Joch des Ceausescu-Clans untergeordnet hat, noch das Militär oder der Sicherheitsapparat selbst lassen nach außen Anzeichen für einen Widerstand erkennen. Dabei wäre der Putsch gegen den Familienclan für diese Kaste die einzige Chance, langfristig zu überleben. Das Massaker und die Repression mögen zwar die Herrschaft Ceausescus noch einmal verlängern, die Stunde der Umwälzung auf ewig zu verhindern, ist aber trotz der bisher schwachen Proteste aus dem Ausland nicht möglich. In ihrem eigenen Interesse müßten Teile dieser Apparate jetzt handeln, denn angesichts des Massakers wird jetzt auch im Ausland schärfer protestiert werden müssen. Wenn vom Apparat heraus nicht bald etwas geschieht, werden sich die Rumänen grausam dafür rächen.

Erich Rathfelder