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Gorlebener SPD für Pilotanlage

Große Atomkoalition im Gorlebener Gemeinderat stimmt Bau einer Pilotkonditionierungsanlage zu  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Der Gemeinderat von Gorleben hat sich am Montag abend mit fünf zu drei Stimmen für den Bau einer Pilotkonditionierungsanlage auf Gorlebener Gebiet ausgesprochen. Mit dem Ratsbeschluß ist die letzte rechtliche Hürde für den Bau der Atomanlage gefallen, in der abgebrannte Brennelemente zersägt und für die Endlagerung verpackt werden sollen. Die Bürgerinitiative Lüchow -Dannenberg rechnet jetzt damit, daß bereits im Januar mit dem Bau der direkt hinter dem Gorlebener Zwischenlager geplanten Anlage begonnen wird. Auch ein Sprecher des Umweltministeriums in Hannover erklärte gestern, daß nunmehr „wahrscheinlich im Januar, spätestens aber im Februar“ die Baugenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage erteilt werde.

In der Gorlebener Gemeinderatssitzung, zu der 200 AKW -GegnerInnen erschienen waren und die von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet wurde, hatte am Montag abend eine große Koalition aus SPD und einer CDU-nahen Wählergemeinschaft dem Bebauungsplan für die Atomanlage die letzte noch ausstehende Zustimmung erteilt. Obwohl sich die Sozialdemokraten sowohl auf Landes- als auch auf Kreisebene gegen den Bau der Konditionierungsanlage ausgesprochen hatten, weil damit auch eine Vorentscheidung für ein Gorlebener Atommüllendlager falle, stimmte nur einer von vier Gorlebener SPD-Gemeinderäten gegen den Plan.

Für den Baubeginn der Anlage ruft die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg zu einer Besetzung des Bauplatzes auf. „Baubeginn ist für uns die Einzäunung des Geländes“, sagte gestern der Sprecher der Bürgerinitiative Wolfgang Ehmke. Die BI befürchtet, daß dem Bau der Pilotkonditionierungsanlage, die zunächst jährlich 35 Tonnen abgebrannter Brennelemente verarbeiten soll, bald eine große Atomanlage folgen wird. Nach dem Verzicht auf die Wiederaufarbeitung benötige die Atomindustrie für die direkte Endlagerung in absehbarer Zeit eine Konditionierungsanlage mit einer Kapazität von 350 Tonnen pro Jahr, sagte der BI-Sprecher.

Mit Unterstützung aus der DDR versucht die BI, auf gerichtlichem Wege den Bau der Anlage zu verhindern. Inzwischen haben 36 DDR-Bürger über den Berliner Rechtsanwalt Rainer Geulen Widerspruch gegen die atomrechtliche Genehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage eingelegt. Nach Auffassung des BI-Sprechers muß aufgrund dieser Widersprüche das eigentlich bereits abgeschlossene Genehmigungsverfahren noch einmal aufgerollt werden. Schließlich hätten die betroffenen DDR -Bürger ihre Rechte in dem Verfahren nicht wahrnehmen können, da zu dieser Zeit die DDR-Grenze noch dicht gewesen sei.

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