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Im Schatten des Kölner Doms

■ WDR maßregelt Journalistin / Kritische Beiträge zum Paragraph 218 nicht möglich?

Während im anderen Deutschland jeder mit sofortiger Kündigung rechnen muß, der es wagt, die freie Meinungsäußerung zu beschränken, gibt es hierzulande immer mehr Themen, von denen besonnene JournalistInnen besser die Finger lassen. In öffentlich-rechtlichen Anstalten sind bei Beiträgen zum Paragraphen 218 der Würden so viele zu berücksichtigen, daß kritischer Journalismus nicht mehr stattfinden kann.

Am Montag dieser Woche ging es - zehn Tage vor dem Läuten der Kirchenglocken zum „Fest der unschuldigen Kinder“ - in der Sitzung des WDR-Rundfunkrates sowohl um die Würde des „ungeborenen Grundrechtsträgers“ als auch um jene des Autorenehepaars Helga Thielscher-Noll und Hans-Gerhard Noll, die sich für das „Lebensrecht des ungeborenen Mitmenschen“ und einen „Umdenkungsprozeß in unserem Volk“ einsetzen.

„Diskriminiert“ fühlte sich das Ehepaar aus Siegen durch ein Interview, das sie der Journalistin Ute Naumann für die WDR-Hörfunksendung Alltagskonflikte gaben, die sich am 17.Juli mit dem Thema Abtreibung und dem „Feldzug der 'Lebensschützer'“ befaßte. Die beiden Lebensschützer, die ihre „rechtsstaatliche Denkweise“ durch Vorträge „Einsätze“ - und dem Verkauf ihrer Bücher finanzieren, beschwerten sich beim Intendanten und verlangten „Wiedergutmachung“. Das auf acht Minuten zusammengeschnittene 55minütige Gespräch hätte ihre Meinung „verzerrt“ und „entstellend“ wiedergegeben. Auch das journalistische Umfeld, in dem sie ihr Interview wiederfanden - ein Bericht über die Aktivitäten der Lebensschützer und Hörerinnenanrufe, die sich mit eigenen Abtreibungserfahrungen auseinandersetzten - paßte dem Ehepaar Thielscher-Noll nicht. Als „Rehabilitation“ verlangten sie die Ausstrahlung des Gesprächs in voller Länge.

Solche Beschwerden werden wohl üblicherweise routinemäßig abgewiesen. Nicht so im WDR, auf den der Kölner Dom seine Schatten wirft. Der Programmausschuß empfahl die Weiterleitung der Beschwerde an den sozialdemokratisch dominierten Rundfunkrat.

Dieser hatte in besagter Sitzung vom 16.Dezember in einer dem Vernehmen nach überaus emotional geführten Debatte über die unsägliche Frage zu befinden, ob es „angemessen“ ist, aus einem 55-Minuten-Gespräch acht Minuten zu senden. Von einzelnen Rundfunkräten eingebrachter journalistischer Sachverstand war nicht gefragt. Intendant Nowottny jedenfalls, so ist zu hören, kann sich aus seiner Bonner Zeit nicht erinnern, jemals einen Politiker 55 Minuten lang interviewt zu haben.

Fazit der Sitzung: Von den „möglichen Vorstößen“, deren sich die verantwortliche Redakteurin und Moderatorin Ute Remus schuldig gemacht hat, sind zwei vom Rundfunkrat zurückgewiesen und der dritte bestätigt worden. Die Sendung vom 17.Juli, deren Themenstellung die Pressemitteilung schamhaft verschweigt, verstoße gegen das „Gebot der journalistischen Fairneß“. Bei den Interviewpartnern sei eine falsche Erwartungshaltung geweckt worden. Nowottny will die JournalistInnen seines Hauses per Dienstanweisung dazu anhalten, in Zukunft ihre InterviewpartnerInnen fair zu behandeln. Wird Pleitgen sich bei Krenz entschuldigen müssen?

Erica Fischer

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