Frauenarzt nicht schuldig

■ Philipp Sprenger im Rahmen des Theissen-Verfahrens vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Abtreibung freigesprochen

Memmingen (taz) - Mit einem Freispruch endete in Memmingen am vergangenen Mittwoch ein Nachfolgeprozeß zum umstrittenen Theissen-Urteil. Das Amtsgericht Memmingen mußte den 46jährigen Frauenarzt Philipp Sprenger vom Vorwurf der Beifhilfe zur illegalen Abtreibung freisprechen. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Arzt zur Last gelegt, vor fünf Jahren eine jugoslawische Frau ohne vorliegende Indikation in die Praxis des Memminger Frauenarztes geschickt zu haben. Staatsanwalt Herbert Krause, der auch schon im Theissen -Verfahren die Anklage vertrat, hatte eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 Mark für den Günzburger Arzt gefordert.

Amtsrichter Franz Freiherr von Castell sagte in seiner Urteilsbegründung, es habe kein Indiz dafür gegeben, daß Sprenger etwas von der Illegalität in der Praxis von Horst Theissen wußte. Die Frage sei, ob es sich schon um eine Beihilfe handle, wenn „man eine Patientin, die den Abbruch unbedingt will, zu einem Arzt schickt, der das ordnungsgemäß macht“. Immerhin werde damit unter Umständen der Gang zu einem Kurpfuscher verhindert. Richter von Castell wörtlich: „Der Paragraph 218 hat auch den Schutz der Patientin zum Inhalt.“ Zudem habe Sprenger die Patientin über die Rechtsbestimmungen informiert und von einem Abbruch abgeraten.

Sprenger hatte 1984 einer jugoslawischen Patientin, die zwei Jahre zuvor bei ihm schon ein Kind entbunden hatte, die Adresse des Memminger Frauenarztes Dr. Horst Theissen notiert. Vorangegangen war ein etwa 15minütiges Beratungsgespräch, in dem Dr.Sprenger zu dem Schluß gekommen war, bei der Patientin liege eindeutig eine Notlage vor. Vor Gericht sagte der Arzt aus, seine Patientin sei „völlig aufgelöst“ zu ihm gekommen; in ihrer schlechten körperlichen Verfassung habe sie gerade noch 40 Kilogramm gewogen.

Die Anklage hatte die Notlage der Frau jedoch bestritten. Ein Frauenarzt dürfe sich nicht auf die Aussagen von Patientinnen verlassen, erklärte Staatsanwalt Herbert Krause: „Es ist schließlich bekannt, daß Frauen gewisse schauspielerische Fähigkeiten entwickeln, wenn sie den Abbruch wollen.“ Die fraglos vorhandenen gesundheitlichen und finanziellen Probleme hätten nicht genügt, der Frau eine Notlage zu attestieren.

Die Zeugenvernahme der Patientin, die zum letzten Termin nicht erschienen war, erfolgte unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Nach ihrer Anhörung verließ die Frau jedoch mit Tränen in den Augen den Gerichtssaal. Sie hatte im Zuge der Ermittlungen der Memminger Staatsanwaltschaft den Strafbefehl bezahlt, um sich einen öffentlichen Auftritt vor Gericht zu ersparen..

Klaus Wittmann