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Die Transfer-Liste hält für viele was parat

■ Neuer Verwendungskatalog der Entertainer - Personalkarussell zwischen öffentlich-rechtlichen und Privatsendern rotiert

In den zurückliegenden Monaten ist die Personalpolitik deutscher Fernsehsender immer unübersichtlicher geworden. Wer arbeitet nun eigentlich für wen und wenn nicht, warum? Die Zeiten in denen die TV-Unterhaltung schlechthin auf den vier Stützpfeilern Hans-Joachim Kulenkampff, Rudi Carrell, Robert Lembke und (dem jungen) Frank Elstner ruhte, sind lange vorbei. Der Fernsehzuschauer braucht heutzutage ein gerüttelt‘ Maß an Flexibilität und einen Kabelanschluß, will er die Wege seiner Lieblinge im Programmdickicht auch weiterhin verfolgen. Im letzten Jahr schlossen bekanntlich Günther Jauch, Thomas Gottschalk und H.J. Kulenkampff Pakte mit den Privaten, von Stefan Aust mal ganz zu schweigen. Umgekehrt warb das ZDF den Sat 1-Quizmaster Jochen Schröder (Köpfchen, Köpfchen - das ist der Titel seiner bisherigen Sendung, keine Säzzer-Bemerkung (die darfst du auch nicht machen, weil: du bist kein säzzer, d. säzzerin)) ab. Nur Frank Elstner blieb seinem alten Brötchengeber vorerst treu.

Bei all dem Hin und Her ist es kein Wunder, daß ein Mann Morgenluft und gute Geschäfte wittert, der bekannt ist für seinen guten Riecher: der Medienmanager und Spielvermittler Hans R. Beierlein. Wie die taz von gewöhnlich gut unterrichtenden Greisen erfuhr, plant der junggesellige Allround-Geschäftemacher, in die Vermittlung junger Showleute und alter Unterhaltungshasen einzusteigen. Zu diesem Zweck wurde im „Braintrust“ Beierleins eine sogenannte Transfer-Liste erarbeitet, die neben den Namen der Wunschkandidaten auch etwaige Verwendungsmöglichkeiten verzeichnet. Der taz liegt dieses bislang streng geheimgehaltene Vermittlungskonzept in Auszügen vor, die wir natürlich unseren LeserInnen nicht vorenthalten wollen.

So analysierten Beierleins Mitarbeiter beispielsweise jene Lücke, die durch Kulenkampffs Engagement bei den Privaten entstehen wird, und schlagen vor, die bisherigen Nachtgedanken Erika Berger zu übertragen. Zugleich wird RTLs ehemalige Intimchefin mit der Erarbeitung eines neuen, „anregenderen“ Konzepts beauftragt. Karl Dall soll Beierleins Plänen zufolge seine Talk-Show Dall-As aufgeben und demnächst als Moderator die ZDF-Hitparade auflockern. Den so freigewordenen Sendeplatz auf RTL plus füllt Sabine Sauer, die alle 14 Tage die neue Sendereihe Sauer macht lustig - die etwas andere Tratschshow zum besten gibt. Für Frank Elstner wäre das natürlich nichts gewesen.

Die eurovisionäre Samstagabendshow Verstehen Sie Spaß? der ARD bekommt neuen Pfiff durch die Ablösung der bisherigen Moderatoren Kurt Felix und Paola durch Egon Balder und Hella von Sinnen (Ex-Alles nichts oder?). Auch Isolde Tarrach schafft den Aufstieg von der Privatliga in die öffentlich-rechtliche. Für den WDR konzipiert die sympathische Stirnbandträgerin die Servicesendung Die Feuerwehr rät - Vorbeugen ist besser als löschen. Aufgefüllt werden die Reihen der Privaten hingegen durch den Wechsel Kai Böckings von der Formel 1 zu Sexy Clips. Auch Carolin Reiber reizen neue Aufgaben, die sie beim RTL -Männermagazin gefunden zu haben glaubt.

Nur für Frank Elstner wurde noch nichts Rechtes gefunden. Horst Brack alias Der Bestrafer moderiert künftig einmal im Monat Das aktuelle Sportstudio für das ZDF, das seinerseits für eine hohe Ablösesumme Viktor Worms an das private Frühstücksfernsehen abgibt. Um einiges preiswerter ist Heinz Sielmann zu haben, der die Leitung der Sendung Einfach tierisch auf RTL plus übernimmt. Auch Frank Elstner wäre günstig im Angebot, Beierleins „Braintrust“ brütet indes noch über einer neuen Aufgabe für den Nase vorn-Erfinder.

Aber auch neue Geister will Beierlein für den Bildschirm entdecken, denn in den Regionalligen schlummern noch etliche unverbrauchte Talente. So konnte der rührige Manager Ute Lemper antanzen lassen und sie für die RTL-Tanzshow Dance gewinnen. Ebenso kehrt Spiegelei, das Spiel um Vorurteile und Menschenkenntnis, zurück auf den Bildschirm, was Wolfram Siebeck Gelegenheit gibt, sich erstmals als Showmaster zu versuchen. In der Sat 1 -Reisesendung Auf und davon führt neuerdings Ronald Biggs die Fernsehzuschauer zu den schönsten Plätzen der Erde (mit Ausnahme Westeuropas). Ein ganz besonderer Coup gelang Beierlein mit der Verpflichtung Hermann Nitschs, der für das RTL plus-Kulturmagazin 10 vor 11 künftig jeden Montag die einleitenden Worte zur „Notschlachtung der Woche“ spricht. Frank Elstner hätte das sicher abgelehnt.

Soweit die wichtigsten Veränderungen, die vermutlich schon dieses Jahr ins Haus stehen bzw. gesendet werden. Aber das Personalkarussell zwischen Öffentlich-Rechtlich und Privat dreht sich weiter, immer neue Leute springen auf, andere ab, und der Nachwuchs steht schon an der Startrampe, um die Zusteigemöglichkeit nicht zu verpassen. Da bleibt für Leute wie Hans R. Beierlein noch viel zu tun, zumal ja auch Frank Elstner noch irgendwo untergebracht werden muß.

Harald Keller

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