Aufgemischt: Schüttlers Giftcocktails

■ Illegale Giftmüllgeschäfte der Firma Schüttler jetzt bewiesen / Westdeutscher Giftmüll landete auf DDR-Kippen / Auch die Stadtreinigung wurde betrogen / Senatsbeamte drückten alle Augen zu / Umweltsenatorin Schreyer konnte sich im eigenen Haus nicht durchsetzen

Die Spandauer Firma SAG Schüttler hat große Mengen Sondermüll illegal importiert, gepanscht und in die DDR verschoben. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel‘ kann die Berliner Umweltkripo diese Vorwürfe jetzt belegen. Mehrere tausend Tonnen giftige Abfälle habe der „Berliner Sondermüllkönig“ Peter Schüttler in den letzten Jahren aus Westdeutschland importiert, sie in seinen Tanks am Spandauer Südhafen mit anderen Flüssigabfällen gemischt und die Giftcocktails dann via BSR auf DDR-Kippen und in die Sondermüllverbrennungsanlage (SVA) Schöneiche geschickt - zu den konkurrenzlos billigen Tarifen, die die DDR für Westberliner Müll verlangt. Gewinne „von bis zu 1.000 Prozent“ seien dabei „möglich“ gewesen, hat die Kripo errechnet.

Entsprechende Details aus einem internen Kripobericht vom 2. November 1989 wurden der taz aus zuverlässiger Quelle bestätigt.

Sogar die Berliner Stadtreinigung (BSR) wurde von Schüttler übers Ohr gehauen - so zumindest der Vorwurf der Kripo. Die BSR brauchte seit Oktober 1988 gut brennbaren Flüssigmüll, um die SVA Schöneiche zu testen und räumte Schüttler deshalb billige Sondertarife für die Abnahme des Giftmülls ein. Bedingung der Stadtreinigung: Der Müll sollte aus West -Berlin stammen. Schüttler lieferte prompt, laut Kripo aber das falsche. Von seiner Partnerfirma WEKA in Iserlohn besorgte er Destillationsschlämme, für deren Abnahme die BSR eigentlich 670 Mark pro Tonne verlangt und mischte sie - so der Kripobericht - unter chlorhaltiges Altöl. Das drehte er dann der BSR als „Berliner Altöl“ an - zum BSR-Sonderpreis von 220 Mark. Auch Fotochemikalien habe Schüttler der BSR untergejubelt, vermischt mit Altöl und Lösemitteln. Entstanden sei ein „sehr explosives Gemisch“, analysierten Kripochemiker, „wofür die SVA Schöneiche mit Sicherheit nicht konzipiert ist“.

Mindestens bis zum Juli 1989 konnte Schüttler unbehelligt diesen illegalen Praktiken nachgehen. Auch Senatsbeamte der Umweltverwaltung hätten dem Giftmüllhändler den Rücken gedeckt, berichtet 'Der Spiegel‘. Beispiel: Per Telefax bat Schüttler im Juni 1988 - noch zu Zeiten von FDP -Umweltsenator Starnick - den Umweltbeamten Fißler „umgehend die Genehmigung zu erteilen, das PCB-kontaminierte Altöl mit dem anderen Altöl zu vermischen“. Für Fißler kein Problem. Noch am gleichen Tag notierte er: „Herrn Schüttler wurde telefonisch erlaubt, den Inhalt des Tankes 5 in den Tank 15 zu pumpen.“

An Schüttlers guten Kontakten zu seinen Kontrolleuren in der Umweltbehörde hat die Amtsübernahme der grünen Umweltsenatorin Schreyer im April zunächst offenbar wenig geändert. Noch im Mai, so berichtet 'Der Spiegel‘, habe Schreyers Sachbearbeiter Kühl einen Genehmigungsantrag für das Schüttler-Tanklager „mit gnädigem Ausgang“ bearbeitet obwohl Kripo und Staatsanwaltschaft das Tanklager seit Jahren als illegal brandmarken. Erst im Dezember habe der Sachbearbeiter dann eine neue Anordnung an die Firma adressiert: Sie möge ihre Giftmülltanks leeren und die Abfälle „umgehend einer dafür zugelassenenen Entsorgungsanlage“ zuführen.

Schreyer habe offenbar „die Tätigkeit ihrer Verwaltung nicht im Griff“, konstatiert 'Der Spiegel‘. Teilweise wurde das in der Umweltverwaltung gestern sogar bestätigt. Umweltstaatssekretär Groth habe die Behörde schon im Mai angewiesen, die Giftabfälle aus dem Schüttler-Tanklager entfernen zu lassen, erklärte Schreyers Leitungsreferent Thomas Schwilling gestern auf Anfrage. Diese Anweisung sei in der Tat „nicht mit dem notwendigen Nachdruck bearbeitet worden“ - sonst hätte der Sachbearbeiter nicht mehr als ein halbes Jahr verstreichen lassen, bis die gewünschte Anordnung rausging. Das erste Schreiben, in dem Kühl im Mai Schüttler einen Persilschein ausstellte, sei allerdings anders als im 'Spiegel‘ suggeriert - nie abgeschickt worden.

Künftig, so hofft Schwilling, hat Schreyer größere Chancen, sich gegenüber ihren Beamten durchzusetzen. Ein Abteilungsleiter und ein Referatsleiter seien versetzt worden, ein neues Referat für Abfallwirtschaft sei am 1.Januar gebildet worden. Die Beamten sollen jetzt ein Konzept entwickeln, wie der Senat endlich von Schüttler unabhängig werden kann. Seine Firma sammelt und entsorgt nämlich als einzige in Berlin Altöl.

hmt