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Barter - Ökonomie der Zukunft?

Zurück zur Naturaltauschwirtschaft oder ein Schritt zur Überwindung der Bankenmacht? / Barter-Geschäfte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit  ■  Aus Frankfurt Mathias Bröckers

Die Idee geht zurück auf das Konzept des „Tausch -Sozialisten“ Pierre Joseph Proudhon (1809-1865), den Marx in seinen ökonomischen Schriften als utopischen Spinner polemisch abservierte, was sich nicht erst heute, nach dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Murks-Wirtschaft, als verfrüht herausstellt - seit Jahren prosperieren in den USA und Kanada „Barter-Clubs“ (bartertauschen), die eng an Proudhons Vorstellungen des direkten, geldlosen Tauschs angelehnt sind.

Das Prinzip dieser Tauschbörsen, deren Jahresumsatz in den USA auf bis zu 400 Milliarden Dollar geschätzt wird, ist denkbar einfach: Die Mitglieder bieten Waren und Dienstleistungen an, ohne dafür Bezahlung in Geld zu verlangen. Für jede Leistung oder Lieferung erhalten sie eine Gutschrift auf ihrem Barter-Konto und können im Gegenwert Leistungen und Lieferungen jedes beliebigen anderen Mitglieds beziehen. Dieser Bezug ist auch möglich, wenn das Mitglied selbst noch keine Leistung erbracht hat. Das Barter-Konto wird dann entsprechend belastet und - das ist der Knackpunkt - muß (regional verschieden) erst nach neun oder zwölf Monaten ausgeglichen werden.

Wer eine Pizzeria eröffnen will und einen Ofen braucht, bekommt ihn von einem Barter-Mitglied kostenlos geliefert. Den Wert der Lieferung handeln Bäcker und Ofenbauer unter sich aus, er wird ihrem Barter-Konto belastet bzw. gutgeschrieben. Da nun der Ofenbauer bis zum Jahresende keine 1.000 Pizzas gebrauchen kann, tritt der Barter-Club als Clearing-Stelle ein, indem er der Pizzeria das Angebot einer Firma vermittelt, die zur Jubiläumsfeier 1.000 Gäste verköstigen muß.

Der doppelte Vorteil des Systems liegt auf der Hand: Einerseits spart der Pizzabäcker die Kreditkosten für den Ofen, andererseits erhält er Aufträge, an die er ohne Barter nicht oder nur mit immensen Werbekosten herangekommen wäre. Für den Ofenbauer gilt dasselbe, er hat nicht nur einen quasi zusätzlichen Ofen verkauft, sondern muß auch die neuen Werkstattfenster, die er sich dafür von einem Barter -Mitglied einbauen läßt, nicht finanzieren.

Geldlose Ökonomie

Wo ist der Haken bei der Sache, oder ist Barter schlichtweg eine geniale Idee? Nur mit einer Handvoll Zuhörern diskutierten darüber am Montag abend in Frankfurt auf Einladung der „Öko-Bank“ zwei Praktiker und ein Theoretiker der „geldlosen Wirtschaft“. Die beiden Geschäftsführer der Münchner Filiale der „Barter Clearing & Informartion“ (BCI), die nach ihrer Gründung 1983 in Östereich mittlerweile über 7.400 Mitglieder im deutschsprachigen Raum verfügt, antworteten auf die Fragen meist mit Beispielen aus der Praxis - und belegten in allen Punkten das Funktionieren des Prinzips. So hatten sie etwa die Tickets für die Reise nach Frankfurt über ein Barter-Mitglied in Augsburg (Reisebüro) gebucht. Das Problem, was geschieht, wenn eine entgegengenommene Leistung innerhalb eines Jahres nicht völlig durch eigene Waren oder Dienstleistungen ausgeglichen werden kann, weil die Clearing-Stelle keine Nachfrage vermitteln kann, führte schnell zur Grundsatzfrage: Kann Barter tatsächlich völlig ohne Geld funktionieren? Theoretisch ja, antwortete Hugo Godschalk, der die Geschichte des direkten Tauschs analytisch aufgearbeitet hat, und verdeutlichte, daß der Gewinn, der zinslose Kredit, des Barter-Prinzips keineswegs aus dem Nichts kommt.

Ein Hundertmarkschein ist mehr wert als ein Haufen Bleistifte für 100 Mark, der Schein hat einen Liquiditätsvorteil, er wird überall fraglos als Geld akzeptiert. Dieser Vorteil beruht nicht auf der Qualität des Geldbesitzers, sondern auf der allgemeinen Akzeptanz des Geldes. Genau diese Eigenschaft von Bargeld ignorieren die Barter-Mitglieder ein Stück weit, indem sie auch den Haufen Bleistifte als Barter-Geld akzeptieren - zumindest für eine gewisse Frist. Nach Ablauf eines Jahres muß das Barter-Konto ausgeglichen werden - wenn unser Bäcker bis dahin nur Angebote für 500 Pizzas „verbatern“ konnte, muß er die Rest der Ofenrechnung jetzt begleichen, und zwar in einer Verrechnungseinheit, die von ALLEN Barter-Mitgliedern akzeptiet wird: Cash.

So ganz geldlos geht es also nicht, und völlig zinslos und ohne Transaktionsaktionskosten kann Barter nur auf gemeinnütziger Non-profit-Basis funktionieren. Bei kommerziellen Barter-Clubs wie dem „BCI“ schlägt neben einer vom Umsatz abhängigen Mitgliedsgebühr (bei 50.000 DM Umsatz 2.500 DM pro Jahr) eine Pflichtversicherungsprämie von 1,29% zu Buche - dennoch scheint sich die Barter-Mitgliedschaft vor allem für kleine und mittlere Betriebe zu lohnen. BCI jedenfalls expandiert stramm und beginnt in diesem Jahr, eine Tauschbörse in Spanien zu eröffnen. Als wichtigstes Element ihres Clubs nannten die BCI-Vertreter die Datenbank, die in mittlerweile 13.000 Branchengruppen für einen optimalen Abgleich von Angebot und Nachfrage sorgt - und das Talent, stets neue Mitglieder zu akquirieren. Denn es liegt auf der Hand, daß die Funktionsfähigkeit des Barter-Clubs mit der Zahl der Mitglieder steigt. Auf eine Mindestanzahl wollten sich die Praktiker nicht festlegen: Der gescheiterte Versuch der „Tauschzentrale“ in Hamburg hätte gezeigt, das 400 offenbar zuwenig seien. Andererseits mochte man auch semantische Probleme nicht ausschließen: „Tauschzentrale“ das klinge eben nach „Täuschzentrale“.

Optimaler Tausch

Daß es sich bei Barter tatsächlich um einen optimierten Tausch und nicht um Täuschung handelt betonte daraufhin noch einmal Hugo Godschalk: Er hat für eine profitorientierte Bank einmal durchgerechnet, daß sich ein „Nebenkreislauf“ von Barter-Geld durchaus rentieren könnte. Obwohl er genau das umgekehrte tut wie eine Bank: Er belohnt den, der Geld ausgibt, und bestraft den, der es hortet. Es lohnt sich nicht, erbrachte Leistungen als Barter-Gutschrift stehenzulassen, es gibt keinen Zins dafür - bevor jemand also eine Leistung erbringt, muß er wissen, welchen aktuellen Bedarf er hat, und ihn am selben Tag bei Barter anfordern. Insofern hat das Barter-Prinzip auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen - es verhindert die Akkumulation von Schätzen und fördert produktive Investitionen. Diesen kreislaufbeschleunigenden Effekt des geldlosen Tauschs hat in der Nachfolge von Proudhon der anarchistische Ökonom Silvio Gesell in den Mittelpunkt seines „Freiwirtschafts„konzepts gestellt. Elemente davon finden sich auch in dem von der etablierten Wissenschaft lange totgeschwiegenen IWF- und Weltbank-Modell von John Maynard Keynes: Könnten also Tauschbörsen die „Macht der Banken“ knacken und zur Ökonomie der Zukunft werden? Zumindest in den USA haben Barter-Clubs mittlerweile eine Größe erreicht, die die Mitgliedschaft auch für Nicht -Unternehmer zur Deckung des alltäglichen Bedarfs interessant macht. Andererseits funktionieren Börsen wie der BCI nur deswegen so gut, weil sie den Gesamtmarkt auf eine Nische verkleinern und das im großen unüberschaubare Oszillieren von Anbegot und Nachfrage transparenter machen.

Sofern der Barter-Marktausschnitt auch nur annähernd repräsentativ ist, muß die Sache funktionieren: Indem es den bestraft, der Leistung (Geld) hortet, und den mit zinslosem Kredit belohnt, der damit arbeitet. Die Aktualität des Barter-Prinzips für den Aufbau der Marktwirtschaft in der DDR ist offensichtlich: Nichts wird dort dringender gebraucht als zinsloser Kredit.

Weitere Informationen:

Hugo Godschalk: Die geldose Wirtschaft - Vom Tempeltausch zum Barterclub. Basis-Verlag 1986

Klaus Schmitt (Hrsg.): Silvio Gesell - Marx der Anarchisten? Karin Kramer Verlag 1989

„Barter Clearing & Information„-GmbH (BCI), Dingolfinger Str.2, 8000 München 80

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