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Rathaus stellt Energiebeirat kalt

■ Atomstromgutachten soll unter dem Deckel gehalten werden / Stadtwerke berieten gestern ohne Energiebeirat

Wenn es um den weiteren Bezug von Atomstrom durch die Preag geht, legt der Bremer Senat keinen Wert mehr auf die Zusammenarbeit mit dem Bremer Energiebeirat. In einem „ziemlich rüden Brief“, so ein Mitglied des BEB hat der Chef der Senatskanzlei, Andreas Fuchs, den Vorsitzenden des Energiebeirates klar gemacht, daß der Beirat aufgehört habe zu existieren und deshalb eine gemeinsame Beratung eines Gutachtens zu Möglichkeiten des Ausstiegs aus dem Vertrag nicht infrage kommt.

Zur Vorgeschichte: Nach langen Querelen mit den Stadtwerken, hatte der Energiebeirat in Übereinstimmung mit Bürger

meister Klaus Wedemeier im vergangenen Jahr durchgesetzt, daß neben zwei von den Stadtwerken beauftragten Gutachtern auch der als atomkritisch bekannter Jurist Apfelstedt aus Hessen die Möglichkeiten des Atomausstieges untersuchen sollte. Im Dezember verabredeten dann die Stadtwerke mit den Vorsitzenden des BEB, Dieter von Ehrenstein und Cornelius Noack, die ehemaligen Beiratsmitglieder zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem Gutachter einzuladen. Das schien auch Senatslinie zu sein. Denn in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen hatte es noch geheißen, daß das Gutachten erstens den BEB-Mitgliedern zugestellt

und zweitens mit Bertretern des BEB diskutiert werden solle. Doch als diese Sitzung gestern nachmittag stattfand, saß niemand vom BEB mit am Tisch. Denn Staatsrat Fuchs hatte dem Beirat geschrieben, daß zwar die beiden Vorsitzenden und der Geschäftsführer als Privatpersonen teilnehmen könnten, nicht jedoch der versammelte Sachverstand des Beirates. Die drei lehnten das Angebot dankend ab, denn als Privatpersonen sahen sie sich nicht zu einer Beteiligung an der Diskussion legitimiert. BEB-Vorstand Cornelius Noack: „Das Rathaus hat damit 100.000 Mark zum Fenster rausgeworfen.“ Aus der rüden Ablehnung einer wei

teren Beteiligung des BEB lasse sich unschwer ablesen, daß das Rathaus von den Ergebnissen des Gutachtens nichts halte.

Denn in mehreren Punkten erklärt Gutachter Apfelstädt für rechtmäßig, was die Stadtwerke ablehnen. Hintergrund: Bei Klöckner werden zu Lastspitzenzeiten Strommengen gebraucht, die aus den Kapazitäten der Stadtwerke nicht abzudecken sind. Deshalb bezieht Bremen 10 Prozent seines Stroms über das Jahr gerechnet von der Preag, die wiederum 70 Prozent ihres Stroms in Atomkraftwerken erzeugt. Und diese Abhängigkeit, so will es die SPD-Programmatik, soll beendet werden. Da Bremen aber auf den Strom der Preag wegen Klöckner weiter angewiesen ist, sollte untersucht werden, ob aus Bremischen Überkapazitäten die gleiche Menge an die Preag zurückzuliefern ist.

Diese Tauschgeschäft ist nach Ansicht des Gutachters zwar juristisch nicht durchzusetzen. Es gibt aber zwei andere Varianten, die die Stadtwerke bislang ablehnen. So hält es Apelstedt wenig

stens für möglich, den Preag-Bezug auf 8 Prozent zu reduzieren und, noch bedeutender, künftig auch Strom ins niedersächsische Umland zu liefern. Damit könnten erstens die Überkapazitäten gewinnbringend verkaufen werden und zweitens die Abhängigkeit der Umlandkommunen von dem Energiekoloss Preag verringert werden. Für beide Varianten wäre jedoch notwendig, daß sich Senat und Stadtwerke hinter die in dem Gutachten formulierten Rechtspositionen stellt und notfalls auch einen Konflikt Mit der Preag riskiert. An genau dieser Konfliktbereitschaft hatte es vor allem Stadtwerkevorstandsvorsitzender Günter Czichon in der Vergangenheit fehlen lassen.

Und so vermuten Kritiker, daß mit der Nichtberücksichtigung des BEB eine Strategie des „Totschweigens und Aussitzens“ durchgezogen werden solle. Ein Mitglied des BEB resigniert: „Ich glaube, es ist jetzt gelaufen.“

Die Stadtwerke wollen die Öffentlichkeit Anfang März informieren. Der letzte Kündigungstermin ist der 31. März.

hbk

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