: Lange Ermittlungen gegen Polizei
■ Vor einem Jahr sperrte Polizei 28 Anti-DVU-DemonstrantInnen ein / Ermittlungen dauern noch an
Gut ein Jahr ist der Polizeieinsatz gegen AntifaschistInnen am Neustädter Grünenkamp her. Die Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte dauern jedoch immer noch an, die Verfahren gegen acht DemonstrantInnen sind dagegen seit Monaten abgeschlossen.
Der Einsatz: Am Nachmittag des 21. Januar 1989, einem nieseligen Samstag, hatte eine kleine antifaschistische Demonstranten-Schar recht hilflos demonstriert. In der Hohentorstraße hatten Busse geparkt, die Mitglieder und SympathisantInnen der „Deutschen Volksunion“ (DVU) zu einer Versammlung im niedersächsischen Neerstedtes bringen sollten. Die Busse wurden bewacht von schlagkräftigen Mitgliedern der „Nationalistischen Front“. Außer einigen Farbeiern, die gegen die Busscheiben prallten, richteten die Gegen-DemonstrantInnen nicht viel aus. Als die Busse abgefahren waren und sich die kleine Ansammlung resi
gniert auflöste, kam es plötzlich zu einem Großeinsatz der Polizei. Die prominenteste der Gegen-DemonstrantInnen, Anne Mentzen, Mitarbeiterin des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Waltemathe, zu den überraschenden Festnahmen: „Ich wunderte mich, was denn nun noch los sei. Polizisten stiegen aus und griffen wahllos herumstehende Passanten auf und zerrten sie in die Mannschaftswagen. Diese Gewalttätigkeit erschreckte mich sehr.“ Ein 20jähriger Demonstrant: „Später, als der Bus abgefahren war, bin ich zum Zaun gegangen, mein Rad zu holen. Da kam ein Mannschaftswagen, einige kamen heraus, haben mich gegen den Zaun geworfen, mit einem Knüppel die Beine auseinandergeschlagen, daß ich breitbeinig dastand. Einer hat gesagt: 'Du Sau‘, 'Du Arsch‘, einer hat mir dann mit dem Knüppel die Mütze vom Kopf gestoßen, vor dem Mannschaftswagen hat der eine
Polizist gesagt: 'Hose runter‘. Das wollte ich zuerst nicht, dann hat er damit gedroht, daß sie auch anders könnten. Daraufhin habe ich das gemacht. Er meinte: 'Unterhose auch‘. Und bevor ich die Hose richtig zumachen konnte, haben sie mich in den Wagen reingesetzt und mit einer Hand festgekettet.“ 28 Gegen-DemonstrantInnen wurden auf die Ostertorwache verfrachtet. Anne Mentzen und ein weiterer Demonstrant erstatteten Anzeige gegen beteiligte Polizeibeamte - wegen „Beleidigung“ und wegen „Freiheitsberaubung“. Staatsanwalt von Bock und Polach leitete insgesamt zehn Ermittlungsverfahren, davon acht gegen Gegen-DemonstrantInnen. Von diesen acht wurden sieben eingestellt und einem der Gegen-DemonstrantInnen, Ernst B., wurde am 28. August der Prozeß gemacht, bei ihm war eine Gaspistole nebst Munition sichergestellt worden, auch soll Ernst B. ein Farbei geworfen ha
ben. Er wurde zu einer Geldstrafe von 150 Mark verurteilt.
Nicht abgeschlossen hat Polit-Staatsanwalt von Bock und Polach dagegen die Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte: Gegen den Leiter des Polizei-Einsatzes und gegen denjenigen Beamten, der sich in der Beschimpfung von Gegen -DemonstrantInnen hervorgetan hatte.
Von Bock erläuterte gegenüber der taz, daß er Schwierigkeiten habe, „die Unterlagen auf den Tisch zu bekommen“. Denn nach einem unvorbereiteten Polizeieinsatz, wie dem am Grünenkamp, gebe es größere Probleme, „das aktenmäßig aufzuarbeiten“ und die Frage zu beantworten: „Wer hat denn genau wen aus welchem Grund festgenommen?“ Auch seien die Ermittlungen verzögert worden, weil einer der Verteidiger, eine Erklärung angekündigt und dann doch nicht abgegeben hatte.
Barbara Debus
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