Turbulenzen im Atomklo Gorleben

■ In wenigen Tagen soll mit dem Bau der Pilotkonditionierungsanlage begonnen werden / Von G. Rosenkranz

Über Jahre war es still geworden um das seit 13 Jahren umkämpfte Entsorgungszentrum Gorleben. In dieser Woche sollen Proteste gegen den bevorstehenden Baubeginn der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) die Renaissance der Bewegung einläuten. Am Samstag wird grenzüberschreitend deutsch-deutsch demonstriert - auch weil weder die Bundesregierung noch die Internationale Atomkontrollbehörde IAEA wissen, wie der in der neuen Anlage angehäufte Bombenstoff aus Plutonium und Uran effektiv überwacht werden kann.

Es ist, wie es immer war. Wenn im Wendland am atomaren Entsorgungszentrum gewerkelt werden soll, steht seit nunmehr 13 Jahren dasselbe Spiel auf dem Programm: Terminpoker. Genehmigungen stehen „unmittelbar bevor“, die scheinbar unermüdlichen Gorleben-Kämpfer gehen in Stellung, die Behörden reagieren wahlweise mit Verzögerungen oder Überraschungscoups oder werden in letzter Minute von den Gerichten gestoppt.

Im vergangenen Sommer gab der Aufsichtsrat der gerade um ihr Wackersdorfer Mammutprojekt gekommenen Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) mit der Bewilligung von 400 Millionen Mark grünes Licht für die sogenannte Pilotkonditionierungsanlage (PKA). In der Atomfabrik sollen abgebrannte und lecke Brennelemente aus bundesdeutschen Atomkraftwerken ohne Wiederaufarbeitung für die sogenannte direkte Endlagerung vorbereitet, sprich: zerkleinert und verpackt werden. Was die Betreiber der Anlage noch vor einem Jahr als „notwendige Ergänzung“ zur Wiederaufarbeitung verkauften, hat sich nach der Aufgabe der WAA Wackersdorf und der schrittweisen Abkehr der Atomiker von dieser teuren und zunehmend überflüssigen Technik rasch zu einem wichtigen Glied in der hinten immer noch offenen Entsorgungskette gefügt. Die Bürgerinitiative Lüchow -Dannenberg befürchtet, daß es mit dem in der PKA geplanten Jahresdurchsatz von 35 Tonnen „Schwermetall“ (zusammengesetzt aus den hochaktiven Isotopen in den verbrauchten Brennelementen) nicht getan sein wird. Später soll die Anlage, die voraussichtlich schon in der nun geplanten Ausbaustufe große Mengen radioaktives Tritium, Krypton und Jod emittieren wird, großtechnisch ausgebaut werden.

Inzwischen hat der Gorlebener Gemeinderat dem Bebauungsplan für die PKA zugestimmt, auch die Entscheidung des Kreistags ist gefallen, nur der verwaltungsinterne Vorgang, die Formulierung durch das Baudezernat, ist noch nicht abgeschlossen, wird aber täglich erwartet. Danach, so die allgemeine Erwartung, geht alles ruck, zuck. Das Umweltministerium in Hannover als atomrechtliche Genehmigungsbehörde schiebt die erste Teilerrichtungsgenehmigung nach, und schon rollen die Bauwagen. Aus dem Hause von Umweltminister Remmers verlautete am Montag nachmittag, die Genehmigung „stehe kurz bevor“. Und Ministerialrat Arno Fricke, im Ministerium zuständig für die PKA-Genehmigung, bestätigte am Montag gegenüber der taz, die Entscheidungen des Kreistags und des Ministeriums würden „im Prinzip zeitgleich“ erfolgen.

Bereits im vergangenen Oktober bekundete eine Schar von fast 400 Atomgegnern im nahen Gedelitz, man wolle gegen die PKA einmal mehr zum erprobten Mittel der Platzbesetzung greifen. Motto: „Wir sind einfach vorher da.“ Doch so einfach ist das nicht. Denn (fast) niemand (siehe Interview) möchte dafür seine Hand ins Feuer legen oder sich den Arsch abfrieren, daß Behörden und Betreiber nicht versuchen werden, die gegenwärtigen Mobilisierungschancen einfach abklingen zu lassen wie ein abgebranntes Brennelement. So viel Zeit bleibt allerdings nicht: Irgendwann kommt der Frühling und mit ihm die Landtagswahl in Niedersachsen. Dann steht Ernst Albrecht zur Disposition und mit ihm - wer weiß

-vielleicht die PKA. Außerdem jährt sich 1990 zum zehnten Mal jener anarchisch-fröhliche Frühling der Republik Freies Wendland. Damals hatten Hunderte von AKW-Gegnern das Probebohrloch Nummer 1004 für den Gorlebener Salzstock wochenlang besetzt und die Republik in Atem gehalten. Soweit ist es noch nicht. Nur ein Termin steht fest: Am kommenden Samstag wird im Wendland demonstriert. Gegen die PKA, das Entsorgungszentrum Gorleben und gesamtdeutsch gegen die Atomprogramme Ost und West.