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Kunstlicht: Sauberkeit des Arbeitsplatzes, bestrapst, am Abgrund des analogen Wahns

■ Von Ausstellungsmöglichkeiten sowie evtl. sexistischen Comics und einem Recycling-Artisten und nicht-Copymanen

Sauberkeit des Arbeitsplatzes, bestrapst, am Abgrund des

analogen Wahns

Von Ausstellungsmöglichkeiten sowie evtl. sexistischen

Comics und einem Recycling-Artisten und nicht-Copymanen

Bei den bildenden KünstlerInnen reimt sich Brot schnell auf Not, wenn nicht gar auf Tod, und darum studieren sie die Anzeigen in einschlägigen Kunstmagazinen, die Ausstellungsmöglichkeiten versprechen. Reagiert man dann auf eine Anzeige des Sylter Straßenateliers in der BBK -Zeitschrift „kultur politik“ (Dez.89), weht einem schnell rauher Marktwind um die Ohren: Eingeladen wird, „das westerländer stadtbild mit aktivitäten im bereich der bildenden kunst zu beleben“ und „sich selbst zu verwirklichen“. Das „straßenatelier“ diene der „entwicklung und förderung junger, noch nicht bekannter künstler und künstlerinnen durch sich selbst“. Geboten werden 3 (drei) Meter Platz. Gefordert werden ständiges Publikumsgespräch, keine künstlerische Passivität (Ausschluß!), keine Publikumstäuschung (Drucke als Originale ausgeben: Ausschluß! ), keine Wiederholung des Motivs, persönliche Anwesenheit immer, Arbeitstische selbst mitbringen, und „sauberkeit und reinhaltung des arbeitsplatzes“. So etwa müssen wir uns das vorstellen, wenn was für KünstlerInnen getan wird. Ach so, noch ewas wird geboten: „bei rechtzeitiger bewerbung ist eine günstige quartiersuche auf einem campingplatz ... möglich.“

Verschärfte Mißgeburten bevölkern die Comics der Mariola Brillowska, einäugige Produkte einer abgefuckten Plastikwelt, in der es immer um Sex und Möbel, nie um Hitze geht. Die Frauen sind schrille Monster, schwer bestrapst, auf der erfolglosen Suche nach Identität, die sich weder über ihre lächerlichen Gespielen noch die verpuppten Kinder herstellt, am ehesten noch übers Ambiente. Die Exilpolin Brillowska, die in Hamburg lebt, treibt ihre Comics nicht durch Originalität der Technik (die alle intergalaktischen Comics kennen), sondern durch strikte Nicht-konsumierbarkeit auf die Höhe der Kunst und schickt Grabowski und Lola nun auch in die Animation: ab April läuft ihr Film in Hamburg an. In der Angestelltenkammer begnügt man sich derweil neben den Comics mit einem selbstgetexteten Video. (bis 28.2.).

In jeder Hinsicht Grenzgänger ist Rainer Malich, schon dadurch, daß er in Westpreußen geboren wurde und heute in der Eifel lebt. Aber auch sein Begriff von Kunst ist dauernd in Gefahr, mit jedem denkbaren Mißverständnis belegt zu werden, denn in erster Linie ist Malich Copy-Artist, in zweiter Multitalent mit Hang zur Grenzüberschreitung. In der Galerie Steinbrecher wuchert uns ein Ausschnitt seiner Kunstproduktion entgegen: Wandobjekte aus Pappe und Pappmache, Raumobjekte in Form eines Denkmals oder Hausaltars, Tafelbilder, über und über bedruckt. Der Absolvent der Kunstakademie Düsseldorf ist im weitesten Sinne an „Vernetzung“ interessiert; das bedeutet bei einem so unbändig vielseitig interessierten Mann Ordnung: Sein Pappmache ist Recycling-Produkt seiner Copy-Kunst, diese verbindet sich per Computertechnik mit Musik, Musik machen Wespen, die ihre Nester mit einer Art Pappmache bauen. Malich baut Wespen aus Pappmache aus Kopien, die ihn wiederum mit unendlich vielen Menschen vernetzen über Telefax u.s.f. Da lauert Wahn in der Nähe, Analogien-Manie, doch Malich wird nicht sein Opfer, ist ihm immer eine Erfindung voraus. Bügelt aus einer Laserkopiedie flirrenden Botschaften eines Versandhauskatalogs auf den Malgrund; ritzt Gips; faxt ein Kunstfragment in die Welt mit der Aufforderung, zu vervollständigen. Stößt Bilderflut an und reduziert sie recycelnd. Eine in den USA notorische Sucht ist die Copymanie. Malich ist kein Suchttyp. Der 2.Vorsitzende der „ARTCOM“ Deutschland, der 1988 ein Arbeitsstipendium in Worpswede hatte, erfindet Kommunikationsspiele für einedemokratische Kunst. (bis 24.2.) Bu

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