: Prunkbau unter Oppositionsbeschuß
■ Rücktrittsforderungen angekündigt, Untersuchungsausschuß nicht ausgeschlossen
Die Opposition in der Bremischen Bürgerschaft hat ein neues Thema: Die Kostenexplosion beim Kongreßzentrum. Nachdem am Donnerstag die Deputationen für Wirtschaft und Bau in einer gut vierstündigen gemeinsamen Sitzung versucht hatten, das Planungschaos auszuleuchten, berichteten gestern CDU und Grüne über neue Erkenntnisse und erste Schlußfolgerungen. Für die CDU ist klar, daß das höchste politische Organ, die Bürgerschaft, „verunglimpft und über den Tisch gezogen“ und so „die Verfassung verletzt wurde.“ Der Fraktionsvorsitzende Peter Kudella gestern: „Das Bremische Parlament ist in die Situation der Volkskammer der DDR vor dem 9. November gedrängt worden.“ Für die Kostenexplosion von 50 auf mindestens 100 Millionen ist für Kudella „Dilettantismus und fehlende Dienstaufsicht“ verantwortlich. Wer die politische Verantwortung dafür trägt, „daß in einem grauen Verfahren Kostensteigerungen abgesegnet wurden“, ist der CDU in der Sitzung nicht klargeworden. Aber klar ist für ihn: „Wir werden den Rück
tritt des oder der Verantwort
lichen fordern. Und federführend war der Wirtschaftssenator.“
Bevor die CDU entscheidet, ob sie eventuell einen Untersuchungsausschuß beantragt, will sie versuchen, in den normalen Gremien weitere Sachaufklärung zu erhalten. Zum Beispiel darüber, wer die erste Kostenexplosion politisch abgesegnet hat. So war gleich nachdem der Vertrag zwischen Bremen und Maritim abgeschlossen war, eine Arbeitsgruppe installiert worden, in der Wirtschafts-und Bauressort zusammen mit Maritim ein neues Konzept erarbeiteten, das bereits Kostensteigerungen von 13,5 Millionen mit sich brachte. Über diese Sitzungen wurden Protokolle geführt, die die Fraktionen nun nach zähem Insistieren einsehen dürfen.
Von einem Ausstieg aus dem Vertrag will Kudella trotzdem nichts wissen. Da Maritim dann einen Anspruch auf entgangenen Gewinn über 50 Jahre habe, würde Bremen nach Kudellas Einschätzung Schadensersatz-Anforderungen bis 50 Millionen Mark ins Haus stehen.
Das sehen die Grünen anders. Angesichts einer „Kostenexplosion ohne Ende“ forderte der Abgeordnete Paul Tiefenbach den Senat auf, eine Auflösung des bestehenden Vertrages anzustreben. Sein Argument: „Für die mindestens doppelt so teuren neuen Pläne gibt es keine verbindlichen Zusagen. Sie sind deshalb auch nicht von dem Gastronomieriesen einklagbar.“ Tiefenbach liefert überdies neue Einzelheiten aus den Verträgen mit Maritim. Danach zahlt Maritim für das mietfrei genutzte Gebäude auf 50 Jahre auch nur die Hälfte der Bewirtschaftungskosten und Bremen hat sich verpflichtet, das Gebäude regelmäßig zu renovieren und zu modernisieren. Kostenpunkt: Zwei Millionen jährlich.
Auch die Grünen fühlen sich vom Senat verschaukelt. So habe Bausenator Kunick noch im Dezember vor der Bürgerschaft behauptet, es lägen keine neuen Erkenntnisse über Kostensteigerungen vor. Tiefenbach: „Bei einer derartigen Informationspolitik kann die Bürgerschaft ihre Kontrollfunktion nicht wahrnehmen.“
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen