: Kosovo: Von blutiger Repression zum Dialog?
■ Die südjugoslawische Provinz Kosovo steht seit Donnerstag unter Kontrolle des Generalstabs / Kosovo-Bürgern wird Ausreise verweigert / Armee geht brutal gegen Albaner vor / Menschenrechtskommissionen: 31 Tote / Regierung bietet „demokratischen Kräften“ Dialog an
Belgrad (afp/taz) - Der jugoslawische Generalstab hat seit Donnerstag die militärische Kontrolle über den Kosovo übernommen. Nach Informationen des albanischen „Komitees zum Schutz der Menschenrechte“ wird den Bürgern des Kosovo die Ausreise verweigert. Albanische Arbeiter, die in anderen Teilen Jugoslawiens tätig sind, dürfen nicht zu ihren Familien zurückkehren. Die zum größten Teil unter serbischer Führung stehenden Bundestruppen demonstrieren durch Tiefflüge und Truppenmassierungen militärische Präsenz.
Inzwischen sind in Jugoslawien Einzelheiten über das brutale Vorgehen von Armee und Sondereinheiten bekanntgeworden. Die kroatische Zeitung 'Vecernji list‘ schreibt in ihrer Ausgabe vom 1.2.: „Es begann in der Gemeinde Malisevo, in dem Dorf Ostrozub, wo sich mehrere hundert Jugendliche versammelt hatten und 'Demokratie, Demokratie!‘ riefen. Leute vom Gemeinderat versuchten vergeblich, sie zum Auseinandergehen zu bewegen. Auf einmal erschien eine bewaffnete Sondereinheit und versuchte, die Demonstranten durch den Einsatz chemischer Kampfstoffe auseinanderzutreiben. Als dies nicht gelang, eröffnete die Einheit das Feuer. Es gab viele Verletzte. Daraufhin fuhr die Sondereinheit durch verschiedene Dörfer der Gemeine Kijewo, schoß auf demonstrierende Jugendliche und tötete mehrere. Nach Malisevo zurückgekehrt, gab die Einheit aus ihren Panzerwagen Gewehrsalven auf Passanten ab, die einfach auf der Straße ihren Geschäften nachgingen. Viele Bürger wurden angeschossen, drei erlagen ihren Verletzungen.“
Das albanische Menschenrechtskomitee spricht von 31 statt der offiziell zugegebenen 19 Toten. Der Historiker Zana meinte, man müsse die Zahl vervierfachen, um der schrecklichen Realität näherzukommen. Mittlerweile demonstriert auch die albanische Minderheit in der Teilrepublik Mazedonien, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht. 2.000 Menschen beteiligten sich an einem Protestzug in der Gemeinde Tatovo.
Der jugoslawische Staatspräsident Drnovsek ist inzwischen im Kosovo eingetroffen, um mit Vertretern der albanischen Opposition, die die Wiederherstellung der vollen Autonomie der Provinz fordern, Gespräche zu führen. Auch die jugoslawische Bundesregierung hat den „demokratischen Kräften“ des Kosovo den Dialog angeboten. Voraussetzung sei allerdings die weitere Zugehörigkeit des Kosovo zur Föderation. Diese politischen Initiativen der Bundesorgane lassen die Absicht erkennen, Serbien und seinem nationalistischen Präsidenten Milosevic die Verantwortung für den Kosovo schrittweise zu entziehen. Die Mitwirkung des demokratisch eingestellten Slowenien wird allerdings davon abhängen, ob die Bundesregierung zu einer friedlichen, politischen Lösung bereit ist.
In Serbien und Montenegro hatten bereits am Mittwoch zahlreiche, gegen die Albaner gerichteten Kundgebungen stattgefunden. In Belgrad allerdings waren Milosevic die Fäden aus der Hand geglitten. Zum ersten Mal seit der Befreiung Jugoslawiens 1945 forderten Tausende die Abschaffung des Kommunismus und bezeichneten Tito in Sprechchören als Kriminellen. In Belgrad wirbt die informelle nationalistische Bewegung „Die serbische Erneuerung“ um Freiwillige, die bereit wären, als Söldner „den bewaffneten Verteidigungskampf der Serben“ im Kosovo zu führen.
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