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Kein Ende der „Rushdie-Affäre“

Internationaler Aufruf zur Verteidigung Salman Rushdies und des Rechts auf freie Meinungsäußerung / Britische Regierung äußert Bedauern über Bekräftigung des Todesurteils gegen den Autor / Iranischer Präsident Rafsanjani bangt um Beziehungen zu Großbritannien  ■  Von Ralf Sotscheck

„Neuerlich und dringender denn je fordern wir die Regierenden dieser Welt und alle, die in einflußreichen Positionen sind, dazu auf, sich für ein Ende der Verfolgung Salman Rushdies und seiner Verleger einzusetzen.“ Diesen Aufruf veröffentlichte am Wochenende das „Internationale Komitee zur Verteidigung Salman Rushdies“. Unterzeicnhet wurde weltweite Schriftsteller-Initiative von 350 Autoren, darunter Bei Dao, Enzensberger, Havel und Athur Miller.

Die vergangene Woche bescherte dem britisch-indischen Schriftsteller Salman Rushdie ein Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung. Der Autor der Satanischen Verse hatte vor acht Tagen im 'Independent on Sunday‘ in einem vierseitigen Essay versöhnliche Töne angeschlagen und moslemischen Fundamentalisten eine Diskussion über das umstrittene Buch angeboten. Am Mittwoch sprach sich der iranische Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani gegen „Gewalt, Abenteurertum und Krisen überall in der Welt“ aus. Doch nur zwei Tage später erneuerte Ayatollah Ali Khamenei die „Fatwa“, das Todesurteil, gegen Rushdie.

Der Direktor des Moslemischen Instituts in London, Dr. Kalim Siddiqi, wußte bereits seit Ende Januar von der Bestätigung des Todesurteils. Siddiqi sagte am Samstag, Khamenei habe bei einem Gespräch am 31. Januar in Teheran seine Bewunderung für die entschlossene Haltung der Moslems in Großbritannien ausgedrückt und das Todesurteil bekräftigt. Siddiqi habe die britischen Behörden nicht darüber informiert, weil er es „völlig vergessen“ habe. Das britische Außenministerium bedauerte „die neuerliche Aufstachelung zur Gewalt gegen einen britischen Bürger“. Die Tatsache, daß Siddiqi lange vor der britischen Regierung über die Bestätigung der Fatwa informiert war, dämpfe Hoffnungen auf eine Verbesserung der Beziehungen zum Iran. Der britische Generalstaatsanwalt hatte im vergangenen Monat nach Konsultation des Außenministeriums die Klage gegen Siddiqi wegen „Aufruf zum Mord an Salman Rushdie“ fallengelassen. Die Staatsanwaltschaft wies jedoch Behauptungen zurück, daß diese Entscheidung aus politischem Kalkül getroffen worden sei.

Rushdie hat sich zu den Ereignissen der letzten Woche bisher nicht geäußert. Aus seinem Bekanntenkreis war jedoch zu erfahren, daß er weniger über die Erneuerung des Todesurteils enttäuscht sei, als vielmehr über die Reaktion britischer Moslems. Anders als Moslems in Frankreich und Ägypten, die das iranische Todesurteil nicht anerkennen, haben sich islamische Führer in Großbritannien geweigert, die Fatwa zu verdammen. Mustaqim Bleher, der Generalsekretär der Islamischen Partei Großbritanniens, sagte: „Sein Traum treibt ihn in den Wahnsinn. Der beste Rat, den ich Salman Rushdie geben kann, ist einen Psychiater aufzusuchen. Die Rushdie-Affaire hat die Doppelzüngigkeit seiner Verteidiger, der ruhelosen Advokaten für Freiheit und Demokratie, bloßgestellt. Im Falle Ceausescus bejubeln sie dessen Hinrichtung - natürlich erst nachdem ihm der britische Adelstitel aberkannt worden ist -, aber für 'islamische Fundamentalisten‘ in Aserbaidschan ist ihnen der Kommunismus ein willkommenes Instrument der Unterdrückung.“ Auch der britische Professor Michael Dummett vom New College in Oxford warf Rushdie vor, die Satanischen Verse hätten die Entfremdung der Moslems in der westlichen Welt verstärkt. In einem offenen Brief wandte es sich gegen den Autor: „Bevor das Buch veröffentlicht wurde, waren Sie wegen Ihrer kraftvollen Anklage des britischen Rassismus ein Held für die ethnischen Minderheiten. Dieser Heldenstatus macht das Buch zu einem umso größeren Verrat. Selbst wenn Sie wollten, könnten Sie diese Rolle nie mehr spielen. Sie sind jetzt einer von uns. Sie sind zu einem Weißen ehrenhalber geworden.“

Ayatollah Mahdavi Kani, der 1981 für kurze Zeit iranischer Premierminister war, sagte indes am Wochenende, daß die Tür für eine Lösung der Rushdie-Affaire nach wie vor offen sei. Voraussetzung dafür sei allerdings eine Entschuldigung der britischen Regierung und die Ausweisung Rushdies aus Großbritannien. Mahdavi Kani beschäftigte sich in seiner Rede vor 800 Moslems in London zum elften Jahrestag der islamischen Revolution fast ausschließlich mit den Satanischen Versen. Er gehört zum moderaten Flügel um Präsident Rafsanjani, der sich um den Wiederaufbau der Beziehungen zur westlichen Welt bemüht. Nach acht Jahren Krieg mit dem Irak sind die iranische Wirtschaft und Infrastruktur am Boden. Zur Verbesserung der Situation ist man auf finanzielle und technologische Hilfe angewiesen. Rafsanjani hatte deshalb in der vergangenen Woche den USA versichert, daß die islamische Revolution nicht mehr länger expansionistisch ausgerichtet sei, sondern daß man dauerhaften Frieden anstrebe. Die Erneuerung des Todesurteils durch Khamenei, der um seinen Einfluß fürchtet, machte jedoch einen Strich durch Rafsanjanis Rechnung.

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