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Genscher wirbt für sein Sicherheitsnetz

■ Bundesaußenminister plädiert in Ottawa für „offenen Himmel“ und Abrüstung Zur Reduzierung der Bundeswehr bereit / Thatcher für Viermächtekonferenz über deutsche Einheit

Ottawa/Bonn (ap) - Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat den Aufbau eines neuen Sicherheitssystems für ganz Europa durch umfassende Abrüstungsvereinbarungen gefordert. Auf der Konferenz von Nato und Warschauer Pakt über einen für Rüstungskontrollflüge „offenen Himmel“ in der kanadischen Hauptstadt Ottawa sagte er am Dienstag, 1990 könne zum „Jahr der Abrüstung“ werden. Ein Schlüssel dazu seien Offenheit und Vertrauensbildung, und ein Abkommen über den „offenen Himmel“ werde dazu ein wichtiger Schritt sein.

Die Gestaltung der Zukunft des neuen, nicht mehr geteilten Europas brauche in erster Linie den Abbau der militärischen Konfrontation, hieß es nach dem in Bonn veröffentlichten Redemanuskript Genschers weiter. Gefordert seien im Bereich konventioneller Streitkräfte und Waffen „substantielle Reduzierungen“. „Wir wissen, daß das durchgreifende Auswirkungen auf die Stärke der Bundeswehr haben wird“, erklärte der Minister. Als zweiter Schritt müsse die Fähigkeit zum Überraschungsangriff und zur raumgreifenden Offensive beseitigt und drittens die Streitkräfte zur Stärkung der Defensive umstrukturiert werden.

Konventionelle Rüstungskontrolle könne aber nicht isoliert betrieben werden, und deshalb seien weitere Anstrengungen vor allem im KSZE-Prozeß notwendig, sagte Genscher.

Der amerikanische Präsident George Bush hatte die Überwachungsflüge vor einem Jahr vorgeschlagen und damit auf eine Initiative seines Amtsvorgängers Eisenhower von 1955 zurückgegriffen.

Bush gegen

Gorbatschow-Vorschlag

Bush wies zwar das Angebot Gorbatschows zurück, der die Senkung der von Bush zuletzt vorgeschlagenen Obergrenze von 225.000 sowjetischen und amerikanischen Soldaten in ganz Europa auf 195.000 Mann angeregt hatte. Dennoch sagte Bush einen „großen Erfolg“ in Sachen Abrüstung bei dem sowjetisch -amerikanischen Gipfeltreffen im Juni in Washington voraus.

Die britische Premierministerin Margaret Thatcher hat nach Angaben aus Londoner Regierungskreisen vom Dienstag eine Konferenz der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und der beiden deutschen Staaten vorgeschlagen. Auf dieser Konferenz solle der Rahmen für eine künftige deutsche Einheit geschaffen werden.

Danach sollten die Außenminister der USA, der Sowjetunion, Frankreichs, Großbritanniens sowie der Bundesrepublik und der DDR eine Formel für die Einheit Deutschlands ausarbeiten und das Ergebnis dann der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) vorlegen.

Der Vorschlag Thatchers wird von politischen Beobachtern in London als eine Antwort der Premierministerin an ihre Kritiker angesehen, die ihr vorgeworfen hatten, die deutsche Wiedervereinigung verlangsamen zu wollen.

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