: Ein Mekka des Samba-Karnevals
■ In fünf Jahren vom „Happening“ zum „Umzug“ gewandelt / ZuschauerInnen aus Köln und Stuttgart
Klein, „happening-mäßig“ hatte der Bremer Karneval angefangen, damals vor fünf Jahren: Beim 1. Mal hieß er noch nach Schweizer Art „Faßnacht“ und fand an einem Vollmond -Februartag statt. Gerade eine Sambagruppe, „Samba Confusao“, und ein tänzelnder Troß von hundert Samba -KarnevalistInnen hatten sich fünf Stunden kreuz und quer durch die Bremer Innenstadt getrieben. Der Tag war „sessionmäßig“ im alternativen Kulturzentrum Lagerhaus Schildstraße beschlossen worden. Im nächsten Februar trommelten und schüttelten dann schon zwei Sambagruppen durch die Stadt, und die verkleidete, sich im Rhythmus wiegende alternative KarnevalistInnen-Schar war auf über 200 angeschwollen. Martin Sasse, Samba-Karnevalist der ersten Stunde: „Abends war das beim zweiten Mal schon ein bißchen organisierter. Aber hinterher gab's wieder 'ne wilde Session.“ Beim dritten Mal kam dann schon die erste Samba -Gastband aus Hamburg angereist, und beim vierten Mal wurde die rauschende Kostümballnacht vorsorglich in die großzügigen Räumlichkeiten des Alten Gymnasiums verlegt. 1.000 Eintrittskarten gingen weg,
auf zwei Bühnen spielte die Musik: Die Samba -KarnevalistInnen hatten bereits mehr Publikum als der „Große Karnevalsverein Rot-Weiß Bremen e.V.“.
Am vergangenen Samstag tänzelte und rasselte der 5. Samba -Karneval vom Marktplatz los. Und wieder waren's mehr MusikantInnen und mehr Maskierte als zuvor. Aber auch mehr Schaulustige aus der „Szene“, die ihre Hauptstraßen, den „Ostertorsteinweg“ und „Vor dem Steintor“ säumten, das Ereignis auf
Videofilme bannten und zum Aufwärmen die anliegenden Cafes überfüllten. Für Martin Sasse ist der Übergang vom „Happening“ zum „Umzug“ vollzogen: „Das ist jetzt mehr 'hingehen und gucken‘ - was wir persönlich schade finden.“
Hingehen und gucken tut auch längst nicht mehr nur noch die Bremer „Szene“, sogar aus der Jecken-Hauptstadt Köln kommen ZuschauerInnen angereist. Denn einen „Samba-Karneval“, den gibt's nur in Bremen - von Rio mal ganz abgesehen. Vorn im
Zug, ganz in weiß und türkis gehüllt, bewegte sich, rhythmisch-gekonnt, eine neue Formation Bremer Sambatänzerinnen. In der Mitte des Zuges kreisten hüftschwingende Bauchtänzerinnen voran, inmitten ihrer Schar schob ein hochgewachsener arabischverkleideter Mann (?) einen geheimnisvoll tuchverhangenen Kinderwagen, aus dem die orientalische Begleitmusik schwoll. Zwischen den zahlreichen Samba-Bands Jongleure und Jongleusen, ein Bayern-Paar mit Original-Filzhütchen, AkrobatInnen, junge Damen auf hohen Hacken, Kinder, Babies, Mütter, Väter, Nachbarinnen. Die Straße fröstelte und tanzte - ein wenig. Der „Tiegel“, das „Wogen“ fand erst später auf der Tanzfläche statt. Verführerisch schöne Frauen (waren wirklich weniger Männer da?), gewagte Blicke hinter Masken, „Salsa Riscante“ und „Baobab“ bis mindestens um drei Uhr nachts. Zwischendurch auf einer zweiten Bühne Bauchtanz-Solos von Frauen. Oder die Capoeira-TänzerInnen, die sich geschmeidig und angriffslustig Zweikämpfe lieferten.
Außer zahlreichen multikulturellen Anleihen und Trommel -Workshop-Ergebnissen gab's auch deutsche Kultur zu sehen: Die „Stadtschmusetanten“ sangen vom Wind, der den Matrosen durch die Hosen weht. Und nicht nur eine Kasselanerin war baff: Sowas alles hatte sie den BremerInnen nicht zugetraut.
Barbara Debus
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