: Quer durch die Parteien: Sprüche und Widersprüche
■ Deutsch-deutsches Schnellvereinigungswahlkampffieber / Beutestück DDR
Berlin (taz/ap/dpa) - „Mit der Deutschen Mark im Gepäck zurückzukehren, ist eines der größten Geschenke“ - in diesem Merksatz faßte Bundeswirtschaftsminister Haussmann (FDP) am Wochenende den Kern bundesdeutscher Regierungspolitik zusammen. Haussmann lieferte auch sofort die Erklärung dafür, weshalb die Regierung Modrow sich - völlig zu Unrecht - beklagt habe, beim Bonner Besuch nichts erreicht zu haben: dies spreche für die „marktwirtschaftliche Unkenntnis“ der DDR-Führung. Die bundesdeutsche Wirtschaft sei inzwischen so dynamisch wie Japan, habe eine stabilere Währung als die Schweiz und sei sozialer ausgerichtet als das einstige Modell Schweden, schwärmte der bundesdeutsche Wirtschaftsminister Haussmann.
Ein „zweites Wirtschaftswunder“ erwartet nun auch die Finanzexpertin der Sozialdemokraten Matthäus-Maier nach einer Währungsunion beider deutscher Staaten. Die DDR -BürgerInnen hätten jedoch Angst um ihre Sparbücher, deshalb müsse es eine Garantie für den Erhalt der Sparguthaben geben. Um die Stabilität der D-Mark zu sichern, müsse die DDR allerdings die geldpolitische Souveränität an die Bundesbank abgeben, auch wenn dies einen Souveränitätsverlust für die DDR bedeute.
Der FDP-Vorsitzende Lambsdorff sprach sich am Wochenende ebenfalls gegen eine Abwertung der Sparkonten in der DDR aus, unabhängig davon, ob der Umtauschkurs 1:1 sein würde, wie von ihm vorgeschlagen. Dieser Umtauschkurs brächte wohl vorübergehend eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, weil der DDR-Export durch die hohen Preise erschwert würde. Bei einem anderen Umtauschverhältnis läge die Arbeitslosigkeit zwar zunächst niedriger, brächte dafür aber geringeren Anreiz zur Verbesserung der Produktivität in den DDR-Betrieben. Die Renten sollten vorübergehend durch den Bundeshaushalt angemessen gesichert werden, ebenso die Arbeitslosenunterstützung in der DDR, diese müsse jedoch unter dem Niveau der Bundesrepublik und entsprechend unter dem Lohnniveau der DDR liegen. Der Aufschwung in der DDR soll durch Lohnverzicht der bundesdeutschen Beschäftigten mitfinanziert werden, Lohnerhöhungen dürften sich nur unwesentlich über der Teuerungsrate (im letzten Jahr 2,8 Prozent) bewegen. „Das halte ich für zumutbar“, sagte Graf Lambsdorff. Opfer wie Steuererhöhungen würden jedenfalls niemandem abverlangt. Fortsetzung Seite 4
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Ergänzungsabgabe und Notopfer sind auch für Finanzminister Waigel (CSU) „die falschen Rezepte“ für den Wiederaufbau der DDR. „Wir müssen den Kosten der Einheit die Kosten der Teilung gegenüberstellen“, so Waigel, und das seien rund 40 Milliarden DM im Jahr. Den BRD-Wohlstand sieht Waigel nicht in Gefahr. Heftig attackierte er allerdings die SPD, die in West und die Angst schüre und mit einer Doppelstrategie in den Wahlkampf ziehe. Eine „vertretbare Erhöhung“ der Kreditaufnahme werde nötig sein, aber „ungebundene Blanko -Schecks zur Finanzierung neuer sozialistischer Experimente wird es mit einem Finanzminister Waigel nicht geben“. Dafür erhielt er am Freitag Beifall von den Delegierten des CSU -Parteiausschusses.
Der bayerische Ministerpräsident
Streibl rügte seinen Bundeskanzler, der von einem „Anschluß“ der DDR an die Bundesrepublik gesprochen habe, das sei nicht angebracht. Streibl sprach sich für starke Bundesländer in einem künftigen Deutschland aus. „Ein zentral gesteuertes Deutsches Reich a la Bismarck will ich nie wieder auf deutschem Boden haben“, sagte er.
Für ein stark föderatives Deutschland hatte sich auch der baden-württembergische Ministerpräsident Späth (CDU) bereits im Bundesrat stark gemacht. Späth sprach sich am Sonntag dafür aus, daß die am 18. März neuzuwählende Volkskammer die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik „möglichst schnell und pauschal in einem Gesetzgebungsakt übernimmt“. Falls die DDR -BürgerInnen selbständig bleiben wollten, dann sei das auch zu akzeptieren, dann könne man jedoch nur noch von Nachbarschaftshilfe für die DDR reden und nicht mehr über D -Mark.
Während quer durch die Parteien Rezepte ausposaunt wurden, die von Umschichtungen im Bundeshaushalt über Kreditaufnahme bis zu Lohnverzicht reichen, schließt Bundesarbeitsminister Blüm (CDU) Steuererhöhungen inzwischen nicht mehr aus. Blüm sagte in einem Interview, im Interesse der deutschen Einheit müsse ein Teil der Steuerentlastungen, die für die nächste Legislaturperiode geplant waren, zurückgestellt werden. Der bundesdeutsche Wohlstandszuwachs werde sich etwas verlangsamen. Der CDU-Politiker äußerte auch die Sorge, „daß unsere Wohlstandsgesellschaft in ihrer kleinkrämerischen Ängstlichkeit die Fähigkeit verliert, Risiken zu meistern“. Blüm erinnerte an die Leistungen der Nachkriegszeit und sagte wörtlich: „Wenn wir jetzt nicht zur Solidarität mit unseren Landsleuten drüben fähig sind, schäme ich mich, Deutscher zu sein.“
Warnend hat sich inzwischen der
frühere Staatssekretär im Bonner Wirtschaftsministerium und jetzige Hoesch-Manager Rohwedder geäußert. Die Währungsunion berge „ein hohes Risiko“, weil viele DDR-Betriebe, „wenn sie schockartig dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt werden, schließen müßten, was zu großer Arbeitslosigkeit führen könnte. Als Alternative schlug Rohwedder einen „großzügigen und sozialorientierten Währungskurs“ vor, um den DDR-Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. „Denn wir machen doch wohl keine Deutschlandpolitik, um uns hier die Taschen zu füllen, sondern um diesen ungeheuren und historischen Vorgang der deutschen Wiedervereinigung auch für die DDR erträglich zu gestalten.“
In diesem Sinne hat auch Bundespräsident von Weizsäcker gemahnt, im deutschen Einigungsprozeß die D-Mark nicht zum alles überragenden Maßstab zu machen, die DDR nicht zu „vereinnahmen“.
jon
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