: Offener Brief an Herrn Modrow
an Herrn Modrow
Sehr geehrter Regierungschef Modrow, liebe FreundInnen der Quadratur des Tisches, ich möchte hier einiges klarstellen, was Sie wahrscheinlich in ihrem sinnlosen Aufbruch nicht so richtig wahrnehmen konnten: Sie kommen hier her und stellen Forderungen. Gut. Es steht Ihnen zwar nicht zu, da Sie ja nicht frei gewählt wurden und die BRD Geschäftsbeziehungen nur zu frei gewählten Regierungen unterhält: Chile, Südafrika, China und etliche Dutzend mehr. Daß Sie aber die Unverschämtheit besitzen, das Heiligste zu fordern, unser Geld nämlich, das geht zu weit.
Ich bewundere Sie, Herr Modrow, daß Sie, unfrei gewählt und von keinem gewollt, die Größe besessen haben, eine solche Provokation ihrer Person und der unfrei bestimmten Delegationsmitglieder der unfrei neu gegründeten Parteien der unfrei auf die Straße gegangenen BürgerInnen von der unfreien Opposition, bei Ihrem Besuch in der sogenannten BRD so gelassen hinzunehmen.
(...) Herr Modrow, die taz schreibt, Sie haben Würde bewahrt, Ihre KollegInnen vom Runden Tisch auch, soweit ich es im freien deutschen Fernsehen verfolgen konnte. Auch die BürgerInnen der DDR haben zu großen Teil Würde bewahrt, vielleicht auch erst geschaffen. Sie persönlich werden wahrscheinlich nach dem 18.März wie Maueröffner Krenz in der Versenkung verschwinden. Revolutionen verweigern Anerkennung und kennen keine Gnade. Aber eines können Sie für sich und Ihre KollegInnen vom Runden Tisch in Anspruch nehmen, und es wundert mich, daß nur Stefan Heym und Christa Wolf ihr Argument des Einbringens war: Würde zu haben. Das Verhältnis der Würde DDR/BRD steht geschätzt zehn Millionen zu eins. In der BRD hat meines Wissens nach nur ein Mensch Würde. Unser Bundespräsident. Das liegt daran, daß er an erster Stelle Mensch ist. (...)
Wehren Sie sich, indem sie die Hälfte der DDR-BürgerInnen in die BRD ausweisen. Dann haben wir hier den Kohl-laps und Sie Ihre Ruhe, es sei denn Wörner ist noch Nato -Generalsekretär. Dann könnte es (auch Träume werden wahr) endlich wieder Krieg geben gegen die AntifaschistInnen und wir hätten die verdammten Arbeitslosen vom Halse und die ÜbersiedlerInnen, die ja nur daran denken, unser Bestes zu rauben: Geld und Macht.
HWK von einem halben Hektar real existierendem Kommunismus in der freien Marktwirtschaft, überzeugter Anhänger der Sprüche Jesus von Nazareths. Ich habe das C im Herzen, nicht im Namen.
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