: SPD im ideologischen Verkehrschaos verfangen
■ Landeskommision der Partei will nicht so wie Wedemeier und Kunick im Senat / Öffentlicher Krach aufgeschoben, aber nicht aufgehoben
„Die SPD ist doch keine Zick-Zack-Veranstaltung. Sie kann nicht ständig ökologische Programme beschließen und in der Praxis das glatte Gegenteil umsetzen“. Bremens Bausenator Konrad Kunick hat den Glauben an die eigenen Genossen offensichtlich noch nicht verloren. Aber leise Zweifel müssen den Bausenator dennoch beschlichen haben, als er die Ergebnisse der SPD-Landeskommission „Stadtentwicklung und Verkehr“ schriftlich bekam: Ein halbes Jahr, nachdem Bürgermeister Klaus Wedemeier in be
ster Übereinstimmung mit seinem Bausenator das Ende der umstrittenen Straßen-Großbauprojekte Georg-Bitter-Trasse und Beneckendorff-Allee verkündet hatte, empfahl ihm ausgerechnet der Verkehrskommisionsvorsitzende Ludwig Hettling die Georg-Bitter-Trasse wieder zur Lösung der Verkehrsprobleme in Bremen Hastedt. Kunicks Problem: Als Hettlings Privat-Idee läßt sich die Wiederentdeckung der Georg-Bitter-Trasse durch Genossen schecht abtun. Immerhin ziert der Briefkopf „SPD
Landeskommission Stadtentwicklung und Verkehr“ das Fünf -Seiten-Papier und stellt damit die wichtigste Grundlage für einen zweiten Anlauf einer SPD-Grundsatzdebatte zur Bremer Verkehrspolitik dar.
Seit einem Dreiviertel-Jahr sitzt Ludwig Hettling einer SPD -Kommission vor, in die ein Parteitag seinerzeit alle Verkehrsprobleme dieser Stadt abgeschoben und sich auf diese Weisen vorerst um einen Riesenparteikrach herumgedrückt hatte. Die 16 Kommissionsmitglieder sollten
die unterschiedlichsten Stadtteil-und Ortsvereins-Interessen in Sachen Verkehrsberuhigung unter einen konzeptionellen Hut bringen und den Vorrang des öffentlichen Nahverkehrs berücksichtigen.
Irgendetwas muß der Genosse Hettling beim Stichwort „Autofreiheit“ allerdings mißverstanden haben. Unter seiner Regie gerieten nicht nur die Machtworte des Bürgermeisters zur Georg-Bitter-Trasse allmählich in Vergesenheit, sondern die Sitzungstermine selbst: Als „höchst sprunghaft“ bezeichnet ein Komissionsmitglied den Besuch der bisherigen Sitzungen. Umso verdutzter waren die regelmäßig entschuldigten Teilnehmer, als sie erstmals schriftlich bekamen, was Ludwig Hettling in der Schrumpfkommission durchge
setzt hatte. Schon am kommenden Sonntag sollte ein SPD -Parteitag über das Hettling-Papier abstimmen.
Inzwischen hat der Parteivorstand die Notbremse gezogen: Der Parteitag wurde mit durchsichtigen Vorwänden abgesagt. Offizielle Begründung der Verschiebung: Senat und Verwaltung hinken bei der Umsetzung der Sofortmaßnahmen des ÖPNV -Konzepts so weit hinterher, daß die Diskussionsgrundlage entfallen ist. Parteintern ist es allerdings kein Geheimnis, daß damit der öffentliche Krach mit Hettlings Getreuen in der Verkehrskomission vertagt wurde. Gar nicht so unangenehm dürfte der SPD-Vorsitzenden Ilse Janz bei der Parteitagsabsage gewesen sein, daß Hettling selbst mit seinen Schularbeiten hinterherhinkt. Ein von ihm
für Mitte Februar angekündigtes Grundsatzpapier zur „Zukunft des Individualverkehrs in Bremen“ liegt bis heute nicht vor. In sozialdemokratischen Öko-Kreisen ahnt man allerdings auch dort nichts Gutes: Hettling hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß er wenig vom Vorrang des ÖPNV auf Kosten von Autotrassen hält. Schon heute nervt Hettling Beamte in der Verwaltung mit seiner Einschätzung des ÖPNV-Konzeptes. Tenor: Das ist alles viel zu teuer und bringt zu wenig.
Im Sommer soll die ausgefallene Debatte jetzt voraussichtlich nachgeholt werden. In Punkto Georg-Bitter -Trasse hofft Konrad Kunick, ihr Ergebnis schon zu kennen: „Für den Senat gilt jedenfalls weiterhin: Diese Straße steht für den Individualverkehr nicht zur Verfügung.“
K.S.
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