: Recht auf Abtreibung für Europa
■ Straßburger Parlament äußert Kritik an der Strafverfolgung in der Bundesrepublik, Spanien und Irland / Schwangerschaftsabbruch soll künftig EG-weit für alle Frauen zugänglich, sicher und erschwinglich werden
Berlin (taz) - Eine Bresche in die Front der selbsternannten LebensschützerInnen schlug am Montag abend das Europaparlament in Straßburg. Mit 140:70 Stimmen forderten die Abgeordneten das europaweite Recht auf Abtreibung. Alle EG-Mitgliedsländer sollten freiwillige Schwangerschaftsabbrüche legalisieren und dafür sorgen, daß sie „sicher, erschwinglich und allen Frauen zugänglich“ werden.
Heftig kritisiert wurde die Strafverfolgung von Frauen und ÄrztInnen in „Ländern wie Spanien und der Bundesrepublik“. Die Republik Irland, wo das „ungeborene Leben“ von der Verfassung geschützt wird und auf Abtreibung noch immer eine Gefängnisstrafe von 25 Jahren steht, verstößt nach Auffassung der EuroparlamentarierInnen gegen die EG -Gesetzgebung.
Der Entschließungsentwurf, den die holländische Grüne Nel van Vijk im Europaparlament vorgelegt hatte, sorgte für heftige Auseinandersetzungen, bei der konservative Lebensschützer und rechtsextreme Verteidiger der „europäischen Kultur“ an einem Strang zogen. Bei der namentlichen Abstimmung stellten sich aber auch zwei italienische Grüne quer: Alexander Langer enthielt sich der Stimme und Eodenio Melandri stimmte sogar gegen die Resolution über das Recht der Frauen auf Schwangerschaftsabbruch.
Anlaß für die längst überfällige Befassung des Europaparlaments mit dem Abtreibungsthema ist die irische EG -Präsidentschaft in der ersten Hälfte dieses Jahres. Irische Frauen wollten die Gelegenheit nutzen, um die rigide Abtreibungspraxis auf der katholischen Insel zu geißeln: Neben den drakonischen Strafen für Schwangerschaftsabbrüche verbietet die irische Justiz sogar, daß über Abtreibungsmöglichkeiten im Ausland informiert und für Verhütungsmittel geworben wird. Dieses Informationsverbot führt zwangsläufig dazu, daß irische Frauen häufig erst sehr spät englische Kliniken ausfindig machen.
Der für 1993 geplante europäische Binnenmarkt dürfe, so die SPD-Europaabgeordnete Christa Randzio-Plath, nicht nur die Freizügigkeit für das Kapital durchsetzen, sondern müsse auch ermöglichen, daß Dienstleistungen wie zum Beispiel Informationen über Schwangerschaftsabbrüche ohne Gesundheitsrisiko überall frei zirkulieren können.
Schade nur, daß die Resolution juristisch zunächst folgenlos bleiben wird - der Brüsseler EG-Apparat und die Regierungen der Mitgliedsländer müssen lediglich darüber informiert werden. Politisch könnte die Straßburger Mehrheit jedoch Signalfunktion haben - nicht zuletzt für die Frauen in der DDR, die beim anstehenden Anschluß um ihr bisheriges Recht auf Abtreibung fürchten müssen.
Dora
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