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Süssmuth soll Albrecht retten

Ernst Albrecht braucht dringend Hilfe aus Bonn Rita Süssmuth: „Nicht als Oppositionspolitikerin“  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth soll Ministerpräsident Ernst Albrecht und die niedersächsische CDU vor einer Niederlage bei den kommenden Niedersachsenwahlen bewahren. Ernst Albrecht stellte gestern in Hannover die Bundestagspräsidentin als „nächste Sozialministerin des Landes Niedersachsen“ vor. Falls die CDU/FDP-Koalition in Hannover sich bei der Wahl am 13. Mai behauptet, will Süssmuth Nachfolgerin des bisherigen Landessozialministers Herrmann Schnipkoweit, Stellvertreterin von Albrecht und gleichzeitig Ministerpräsidentenkandidatin werden. „Wenn ich dann in einigen Jahren die Regierungsverantwortung abgeben werde, soll sie meine Nachfolgerin werden“, lobte Ernst Albrecht gestern die Bundestagspräsidentin. Rita Süssmuth wird auf Platz zwei der CDU-Liste hinter dem Ministerpräsidenten für den Landtag kandidieren. Ihr Amt als Bundestagspräsidentin will sie allerdings behalten.

Wie zuvor schon Bundesumweltminister Töpfer bei seiner Kandidatur im Saarland will auch die Bundestagspräsidentin ihr Bonner Amt nur „dann aufgeben, wenn die Landtagswahl von der CDU gewonnen“ wird: „Als Oppositionspolitikerin werde ich nicht nach Niedersachsen gehen“.

Für den niedersächsischen SPD-Spitzenkandidaten Schröder zeigt „das Manöver von Frau Süssmuth, daß der CDU für einen Erfolg bei der Niedersachsenwahl die nötigen Prozentpunkte fehlen“. Albrecht habe nun jede Hoffnung fahren lassen, die Niedersachsenwahl aus eigener Kraft gewinnen zu können, sagte der SPD-Politiker gestern in Hannover. Auch Thea Dückert, Spitzenkandidatin der niedersächsischen Grünen, erklärte: „Ernst Albrecht hat offensichtlich aus Bonn Druck bekommen. Seine Parteifreunde dort trauen ihm keinen Wahlsieg mehr zu.“ Fortsetzung auf Seite 2

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Gerhard Schröder hat gestern von Frau Süssmuth verlangt, für die Zeit ihrer Auftritte im Niedersachsen-Wahlkampf ihr Amt als Bundestagspräsidentin „zumindest ruhen zu lassen“. Dieses Amt verpflichte mehr als jedes andere Wahlamt zur politischen Neutralität; eigentlich sei nun ein Rücktritt von Frau Süssmuth als Bundestagspräsidentin fällig. Rita Süssmuth selbst sah allerdings gestern in ihrem Wahlkampfeinsatz für die niedersächsische CDU „keinen Mißbrauch und keine Beschädigung des Amtes“. Ihre Kandidatur als Sozialministerin begründete sie damit, daß sie inzwischen ihrem Göttinger Bundestagswahlkreis und Niedersachsen sehr verbunden sei. Sie wolle dafür sorgen, daß Niedersachsen seine Pionierfunktion in der Sozialpolitik behalte; vor allem wolle sie Frauen und junge Familien bei der Kinderbetreuung unterstützen.

SPD-Oppositionsführer Schröder äußerte sich gestern „verwundert darüber, daß sich Frau Süssmuth

ohne irgendwelche inhaltlichen Vorbedingungen auf dieses Manöver eingelassen hat“. Zwischen Rita Süssmuth und der weit rechts stehenden niedersächsischen CDU gebe es schließliche große Differenzen, etwa in der Frage der polnischen Westgrenze und des Paragraphen 218. Thea Dückert nannte es kläglich, daß die Bundestagspräsidentin sich nun einem Ernst Albrecht unterordne, der demnächst in Hannover für die Schlesier und Herbert Hupka wieder den Schirmherrn spiele. „Wie kann denn Frau Süssmuth Niedersachsens Partnerschaft mit den Schlesiern, die Polen teilen wollen, mit ihrer Forderung nach Anerkennung der polnischen Westgrenze vereinbaren?“ fragte die grüne Landtagsabgeordnete. Auch die Ankündigung von Rita Süssmuth, sich für eine verbesserte Kinderbetreuung in Niedersachsen einzusetzen, sei nichts wert. Selbst unter den Flächenländern sei Niedersachsen bei der Versorgung mit Kindergärten, Horten und Krippen das Schlußlicht. Alle Versuche, diese Versorgung zu verbessern, seien stets von der CDU-Landtagsfraktion abgeblockt worden.

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