piwik no script img

Rudel und Meuten spielen Zigeuner

■ Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder lud zur Jahresversammlung: Weg von Trends

Blaue Einheitskluft mit blau-gelbem Halstuch - so präsentierten sich die 37 Delegierten des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder auf ihrer fünften Landesversammlung am vergangenen Wochenende im Jugendgästehaus. 1500 Mitglieder hat der Landesverband Bremen, mit wachsender Tendenz. Auf dem Abschlußplenum wurden die sommerlichen Aktivitäten unter dem Motto „Zigeuner“ vorgestellt. Gespielt wird, wie die Zigeuner in ein Unwetter geraten, wie sie sich Unterschlüpfe bauen und welche Bräuche sie pflegen, zum Beispiel Wahrsagen. Der Begriff „Zigeuner“ sei kontrovers diskutiert worden, berichtete der Landesvorsitzende Rainer Nalazek - aber ohne Folgen.

Die taz sprach mit Pfadfinder Hans, dem Landesvorsitzenden und dem Pressesprecher Jürgen Finaske.

Erklär mir doch mal eure Gruppen-Bezeichnungen.

Hans: Da gibt es die Wölflinge, das sind die Sieben-bis Elf -jährigen, die gliedern sich in die Meute und die wieder in einzelne Rudel. Nach der Stammesordnung, nein, nach der Satzung des Bundes, gibt es sogar Rudelführer, aus dem Rudel selbst gewählt. Die haben dann einen Sprecher. Bei den Jugend-Pfadfindern, die gibt es laut Satzung nicht, gibt es noch die Gilde, und die gliedert sich in Sippen. Und die wiederum wählen sich einen Sippenführer, der für die spricht. Die Ranger-Rover, das sind die Ältesten, bilden Kreise, die haben einen Rover-Sprecher. Und der Stamm steht über einem.

Welches Ziel verfolgt die Pfadfinderarbeit?

Jürgen Finaske: Unser Auftrag ist die außerschulische Jugendarbeit. Zusammen mit Erziehern, Elternhaus und Schule die jungen

Menschen, die uns anvertraut werden, zu bewußten Staatsbürgern zu erziehen. Zum Beispiel in Tenever: Da haben wir 40 Kinder in geordnete Wege eingebunden. Wir machen mit denen Abenteuer-Zeltlager, Gruppenstunden, die lernen Gemeinschaft, sie lernen Fertigkeiten und Fähigkeiten und vor allem Demokratie.

Sie werden gelegentlich mit rechten Tendenzen in Verbindung gebracht.

Rainer Nalazek:Wer sich ein bißchen mit der Pfadfinderei beschäftigt hat, weiß, daß sie von jeher auch sehr stark im Widerstand engagiert waren. Es ist nicht zu leugnen, daß da manchmal Pauschalurteile kommen, die uns mit der HJ früher vergleichen. Es waren aber ganz wenige Leute, die sich das während dieser Zeit haben einreden lassen. Die Jungen sind da reingewachsen. Aber es sind auch viele Leiter von den Pfadfindern in die HJ übernommen worden. Aber die wenigsten wissen, daß die Mehrheit der Leiter in den Untergrund gegangen und im Widerstand gewesen ist und dafür im KZ umgebracht wurde. Da ist die Pfadfinderbewegung seit geraumer Zeit dran, das aufzuarbeiten und als dokumentarische Ausstellung der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Wie gehen Sie dabei vor?

R.N.:Ein Schwerpunkt sind zur Zeit Seminare zum Rechtsradikalismus. Wir durchstöbern Archive nach alten Unterlagen und Namen, wo waren die während der Kriegszeit, auf welcher Seite standen sie.

Warum gibt es in Bremen zwei Landesverbände der Pfadfinder und worin unterscheiden sie sich?

R.N.:Es gibt zwei?

Ja, es gibt doch noch den Bund Deutscher Pfadfinder.

R.N.Ach so. Unser Verband stammt aus dem Bund Deutscher

Pfadfinder. In den 68er Jahren hat sich dieser Verband gespalten. Da ist der Bund Deutscher Pfadfinder in eine links-orientierte Politik eingetreten. Das hat einen jahrelangen Konflikt gegeben. Leute sind einzeln und in Gruppen ausgetreten.

Warum konnten sich die Mitglieder nicht damit identifizieren?

R.N.:Wir vertreten Kinder und Jugendliche, für die wir kein politisches Mandat haben. Deshalb schreiben wir für uns fest, daß wir parteipolitisch neutral sind. Das heißt nicht, daß wir jugendpolitisch nicht engagiert sind.

Finden Sie Ihre Arbeit zeitgemäß?

R.N.:Wir haben es immer abgelehnt, Modetrends nachzugeben. Das ist auch unser Erfolg. Seit fünf Jahren haben wir einen wahnsinnigen Mitgliederzuwachs. Vielleicht deswegen, weil wir traditionell sind. Lagerfeuer-Romantik und Abenteuer sind wieder in.

Lassen sich die Jugendlichen in Tenever damit ansprechen?

R.N.:Was gibt es da für Freizeitmöglichkeiten? Gucken Sie sich mal die Jugendfreizeitheime an - die sind leer, da geht kein Mensch mehr hin heute. Bei dem Hearing letzte Woche in der Bürgerschaft sind wir sehr bestärkt worden. Die Verbände, die ihre Traditionen nicht aufgegeben haben, die existieren heute und wachsen. Alle anderen Verbände haben doch kaum noch Mitglieder, gucken Sie sich die Falken an. Das kommt, weil sie die Modetrends mitmachen: Wenn es offene Jugendarbeit ist, machen sie offene Jugendarbeit. Dafür gibt's dann Geld, und die machen alles mit. Wir haben die geschlossenen Gruppen und die Mitgliedschaft. Wir können unsere Mitgliederzuwächse zur Zeit gar nicht verkraften. Fragen: Beate Ram

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen