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Standardtanz u um Betriebssysteme

■ In der Großrechnerbranche tobt der Machtkampf: Wer macht das Rennen bei der Standardisierung der Betriebssysteme? Den Anbietern geht es dabei um mehr als um Benutzerfreundlichkeit in der verwirrenden Vielfalt der Systeme. Lukrative Marktanteile stehen auf dem Spiel.

Von

SANDRA STÖCKER

omputer an, Diskette rein, kurz warten - und schon meldet sich der Rechenknecht. Die Maschine auf dem Schreibtisch hat ihr Betriebssystem gelesen. Um welches System es sich dabei handelt, spielt eine wesentliche Rolle beim Markterfolg eines Computers.

Noch ist MS-DOS der Standard auf dem professionellen Kleincomputermarkt. IBM gelang es, diesem System Anfang der achtziger Jahre zum Durchbruch zu verhelfen. Doch die Digitaltechnik entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit weiter und die Computer verfügen über immer mehr Fähigkeiten: Es wird offensichtlich, daß MS-DOS die Anforderungen der 90er Jahre nicht mehr erfüllen kann. Durch Erweiterungen und Zusätze lassen sich zwar die Nachteile dieses Systems teilweise beheben, doch der Kampf um den neuen Standard hat schon längst begonnen.

Streitobjekt der Computerfirmen ist ein völlig anderes Betriebssystem: Unix (spöttische Zungen nennen es „Tun -nix“). Multics, den Vorläufer von Unix, entwickelten die Bell Laboratories des US-Konzerns AT&T bereits 1969. Vier Jahre später war die erste offizielle Version fertiggestellt. Als sich dann in den frühen achtziger Jahren die Vielseitigkeit dieses Betriebssystems abzuzeichnen begann, entwickelte eine Vielzahl von Unternehmen und Universitäten eigene Versionen. Das Original von AT&T, später „System V“ (sprich „five“) genannt, und das BSD-Unix der kalifornischen Berkley-Universität sind die beiden wichtigsten. Die Derivate „Sinix“, „Ultrix“ und „Sun-OS“ werden von Siemens, Digital Equipment und Sun geliefert. Selbst Microsoft vertreibt neben dem traditionellen System MS-DOS noch „Xenix“. Nur der Gigant IBM ließ sich vorerst nicht herab, diesem System große Beachtung zu schenken.

m dem Wirrwarr der verschiedenen Versionen ein Ende zu machen, fanden sich schließlich 1984 fünf europäische Anbieter in der X/Open-Gruppe zusammen, darunter auch Nixdorf, Siemens und Olivetti. 1987 versuchte AT&T durch eine restriktive Lizenzpolitik Einfluß auf neue Unix-Systeme zu gewinnen. Eine Gegengruppierung formierte sich unter Digital Equipment und Hewlett-Packard. Als dann aber 1988 IBM eine eigene Unix-Version (AIX) ankündigte, begann das große Zittern und Beben in der Branche - der große blaue Bruder kommt.

Als IBM der Anti-Gruppe „Open Software Foundation“ (OSF) beitrat, hob AT&T zusammen mit Sun eine „Anti-Anti-Gruppe“ namens „Unix International“ aus der Taufe. 1989 traten beide Gruppierungen der Vereinigung X/Open bei - eine verwirrende, wenn nicht gar paradoxe Situation. Immerhin liest sich die Mitgliederliste wie ein „Who is who“ der Computerbranche, von Apollo bis Unisys sind über zwanzig Hard- und Softwarehersteller in X/Open vertreten.

Das neue Betriebssystem OS/2 für PCs von Microsoft rückt immer mehr aus dem Mittelpunkt des Interesses. Die Mächte der EDV hocken in der X/Open und knobeln gemeinsam mit Hickhack und Streit an einem Standard für alle. Immerhin existieren bereits zahlreiche Programme für Unix und der Kreis der Anwender wächst ständig. Außerdem hat Unix bereits viele „Kinderkrankheiten“ hinter sich, am Problem der Benutzeroberfläche und der Datensicherheit wird eifrig gefeilt.

bwohl Unix schon fast zwanzig Jahre alt ist - etwa zehn Jahre älter als der erste PC -, begann der Kampf um Standards erst Ende der siebziger Jahre. IBM gewann die erste Schlacht, Apple errang immerhin einen Achtungserfolg. Betriebssysteme wie Pick-OS sind schon fast in Vergessenheit geraten und CP/M wird zwar noch in der DDR, aber kaum mehr im Westen benutzt. In den Kinderjahren der Computertechnik gab es noch keine Betriebssystem-Probleme.

Die riesigen Röhrenmaschinen der ersten Generation wurden hauptsächlich zu militärischen Zwecken verwendet. Die Wende erfolgte 1970 mit der kommerziellen Nutzung von platzsparenden, hochintegrierten Halbleiterschaltungen. Durch die niedrigen Kosten und die verringerte Größe konnten so 1973 erstmals Taschenrechner in Serie gebaut werden. Der Schritt zum „persönlichen Computer“ war nicht mehr weit: In einer Garage im legendären „Silicon Valley“ bauten Steve Jobs und Stephen Wozniak schon 1976 einen bezahlbaren Computer - den Apple I.

Als IBM, der Gigant der Großrechnerbranche, 1981 seinen ersten PC auf den Markt brachte, gab es bereits eine Menge von anderen Kleincomputern. Die verschiedenen Maschinen besaßen unterschiedliche Betriebssysteme, die die internen Verwaltungsaufgaben des Rechners steuern. Die Betriebssysteme (OS Operating System, oder DOS Disc Operating System) waren meist auf den Aufbau und den Steuerbaustein (CPU) des entsprechenden Rechners zugeschnitten. Eine Apple-DOS Textverarbeitung läuft also ausschließlich auf einem Apple, nicht aber unter dem IBM -System MS-DOS auf einem PC.

Die Forderung nach einer Standardisierung der Betriebssysteme war nur folgerichtig: Die Anwender wollten nicht bei jeder Änderung ihre gesamte Software wegwerfen und wieder von vorne beginnen. Der Name IBM versprach Sicherheit, MS-DOS setzte sich also als Standard im PC -Bereich durch. Zudem achtete das Unternehmen darauf, daß alle neuen DOS-Versionen „abwärtskompatibel“ blieben, also auch mit alten Programmen zusammenarbeiteten.

Die Grundlagen zu einer ausgesteuerten, komfortablen Benutzeroberfläche, Anfang der siebziger Jahre im Xerox -Forschungszentrum PARC entwickelt, wurden von Apple mit dem Macintosh aufgegriffen. Maus, Windows und Menüsteuerung gehören inzwischen zu den Standardanforderungen. Ein modernes Betriebssystem sollte außerdem „Multi-User-Multi -Tasking„-fähig sein, also mehrere Benutzer verwalten können und jedem Benutzer mehrere Programme gleichzeitig zur Verfügung stellen.

Welches System sich in diesem Jahrzehnt durchsetzen wird, ist noch nicht abzusehen. Aber, wie der Informatik-Guru Nikolaus Wirth es ausdrückt: „Quantensprünge sind nicht mehr zu erwarten“. Tröstliche Worte finden sich in den Tiefen eines Unix-Systems, von anonymer Hand eingegeben: Jedes Programm, das läuft, ist veraltet!

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