piwik no script img

Wütende Spießer vertreiben Honecker

■ Umzugsversuch des Ex-Staatschefs scheitert an Bürgerprotesten

Berlin (ap/dpa) - Wütende Bürgerproteste haben am Wochenende den geplanten Umzug des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker und seiner Frau Margot in ein Regierungsheim in Lindow bei Neuruppin verhindert. Der entmachtete SED-Politiker konnte nach Angaben von Regierungssprecher Andreas Bauer nur eine Nacht in dem neuen Quartier verbringen und mußte am Samstag wieder in sein kirchliches Asyl in Lobetal bei Berlin zurückkehren. „Die Proteste in Lindow gegen die Anwesenheit der Honeckers habe eine bedrohliche Situation herbeigeführt“, erklärte Bauer.

Eine wütende Menge von mehreren hundert Lindower Einwohnern hatten sich nach Augenzeugenberichten am Samstag vor dem dortigen Erholungsheim der DDR-Regierung versammelt, um den 77jährigen Honecker und seine Frau zum Verlassen des Regierungsheims aufzufordern. Mit infamen Sprechchören, in denen sich das Verdrängungsbedürfnis in offener Aggression gegen die ehemals Herrschenden entlud, wurde das Ehepaar regelrecht aus dem Ort verjagt. „Honi muß weg, wir wollen keinen Dreck“, skandierten den Informationen nach viele Menschen. Andere hätten gerufen: „Wir warten solange, bis er weg ist“ und „Er soll sofort abhauen“. Junge Leute hätten auf das Dach des Autos geschlagen, in dem die Honeckers saßen und hätten immer wieder gerufen: „Verschwinde“.

Noch am Samstag kehrte Honecker daraufhin in die Hoffnungsthaler Anstalten in Lobetal bei Bernau zurück, wo er seit Ende Januar bei der Familie des Pfarrers Uwe Holmer untergekommen war. Der 77jährige Ex-Staats- und Parteichef Honecker und seine Frau, ehemals Bildungsministerin im SED -Staat, hatten am Freitag nachmittag in Begleitung eines Arztes und des Rechtsanwalts Wolfgang Vogel ihr Quartier im Pfarrhaus verlassen.

Nach ärztlichen Angaben hätte ein Umzug des schwerkranken Honeckers in das komfortable Regierungsheim zu seiner schnelleren Genesung beigetragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen