„Mautgebühren in den Städten einführen“

Niedersachsens Umweltminister Werner Remmers (CDU) attackiert die Autolawine und Verkehrsminister Zimmermann  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Remmers, Sie wollen nach neuen, unkonventionellen Wegen suchen, um die Autolawine aus den Innenstädten zu verbannen. Zunächst mal: Herzlichen Glückwunsch zu Ihren neuen verkehrspolitischen Einsichten.

Werner Remmers: Wir haben uns schon lange über die Automassierung in den Städten Gedanken gemacht. Inzwischen ist aber die Schmerzgrenze deutlich erreicht. Man kann heute kaum noch in die Stadt fahren, ohne in erhebliche Verkehrsnöte zu geraten. Und zweitens müssen wir natürlich die Schadstoffe senken. Die Katalysatoren haben hier zwar eine gewisse Entlastung gebracht, aber in der Summe gleicht dies der stärker werdende Verkehr wieder aus.

Wurde nicht zu lange - auch in Ihrer Partei - auf den Katalysator gesetzt und damit die falsche Vision des „Öko -Autos“ aufrechterhalten?

Zunächst ist es sicher richtig, Autos mit Katalysatoren auszurüsten, um soviel Schadstoffe wie möglich zu vermeiden. Denn wir wollen die Autos auch künftig benutzen. Bisher ist aber zuwenig beachtet worden, daß durch die Zunahme der Autos und der mehr gefahrenen Kilometer die Belastungen insgesamt wieder steigen. Deshalb brauchen wir neue Verkehrskonzepte.

Dazu haben Sie eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Was schwebt Ihnen da konkret vor?

Wir müssen uns fragen, ob es noch sinnvoll ist, die Parkmöglichkeiten in den Städten zu erweitern, neue Parkhäuser zu bauen und dadurch die Autos weiter in die Stadt zu ziehen. Und wir müssen überlegen, ob wir nicht Mautgebühren wie in Schweden einführen. Dann wäre ein Einfahren in die Innenstadt nur dann erlaubt, wenn der Fahrzeughalter eine Monatskarte des öffentlichen Personennahverkehrs besitzt. Das könnte man zum Beispiel durch ein Plakettensystem sichtbar machen.

Und was ist mit den Kraftstoffpreisen?

Wir brauchen hier eine schadstoffbezogene Lösung, wie zum Beispiel die CO2-Abgabe. Mit Hilfe dieser Abgabe kommen wir auch zu der notwendigen Verteuerung des Kraftstoffes.

Mautgebühren, höhere Benzinpreise, Autos aus den Innenstädten verbannen: Als vor fünf Jahren die Grünen ähnliches gefordert haben, sind sie ausgelacht worden.

Ich hoffe, daß es hier einen Bewußtseinswandel gibt. Ich habe nie bestritten, daß durch die Forderungen der Grünen manches in Bewegung gekommen ist. Und ich glaube, daß es inzwischen für diese Forderungen eine so breite Basis gibt, daß man sie auch konkret umsetzen kann. Wenn Sie so wollen, waren die Grünen der Bunsenbrenner, der uns eingeheizt hat.

Glauben Sie, daß Sie Ihre verkehrspolitischen Vorstellungen mit einem Bundesverkehrsminister Zimmermann umsetzen können, der gerade in diesen Tagen die Abschaffung des Tempolimits und des Alkoholverbots in der DDR fordert?

Diese Position von Herrn Zimmermann kann ich überhaupt nicht teilen. Und ich habe durchaus meine Zweifel, ob wir mit ihm, wenn er an diesen Forderungen festhält, eine sinnvolle Verkehrspolitik verwirklichen können.

Gerade die DDR bietet trotz ihrer Umweltmisere verkehrspolitisch die Chance für einen anderen Weg.

Das ist richtig. Es besteht tatsächlich die Chance, manche Weichen von vornherein anders zu stellen. Das könnte sogar auf die Bundesrepublik positive Rückwirkungen haben. Wir haben in der DDR ja beinahe eine Stunde Null, und wir können jetzt im Verkehrswegebau die Schwerpunkte deutlich auf die Schiene und auf den öffentlichen Nahverkehr legen. Daß in der Bundesrepublik die Bahnpolitik falsch gelaufen ist, das ist ja inzwischen schon Allgemeingut.

Mein Eindruck ist, daß die eher ökologischen Verkehrskonzepte nicht mithalten können mit dem Tempo, mit dem die Autokonzerne in der DDR ihre Pflöcke einsetzen.

Im ganzen gesehen laufen wir der Entwicklung hinterher, das ist auch eine Sorge von mir. Wie so häufig in der Umweltpolitik besteht die Gefahr, daß wir auch in diesem Bereich das Rote Kreuz hinter der ökonomischen Front sind.

Interview: Manfred Kriener