: „Washington hat Eigentor geschossen“
Das amerikanische „National Public Radio“ interviewte Nick Crater, Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer-Tochter ■ I N T E R V I E W
Die US-Regierung hat Druck auf westdeutsche Firmen ausgeübt, keine Komponenten für Chemiewaffen zu verkaufen. Nun verlangt die Regierung selber von Ihnen den Verkauf dieser Chemieprodukte?
Nick Crater: Wir verfolgen diese Politik (die Weigerung des Verkaufs von Thionylchlorid, d. Red.), weil wir dahinter stehen und weil es die Philosophie unserer Mutterfirma (der Bayer AG Leverkusen, d. Red.) ist. Mir ist diese Position jedoch etwas peinlich, weil ich denke, daß die US-Regierung hier ein Eigentor geschossen hat. Erst übt sie Druck auf andere Länder aus, den Verkauf der Chemikalien zu verbieten. Und dann verlangt sie von Mobay und anderen, daß wir die Produkte an sie verkaufen - was uns in eine peinliche Lage bringt. Ich mag diese Situation überhaupt nicht, ich will mit der Regierung auf jeglichem legalen Weg zusammenarbeiten.
Was geschieht denn, wenn die Regierung sie mit dem existierenden „Verteidigungs-Produktions-Gesetz“ von 1950 zum Verkauf zwingt?
Ich weiß, daß es dieses Gesetz gibt, das es der Regierung rechtlich erlaubt, die Kontrolle über Produktion und Verkauf der Chemikalien zur nationalen Verteidigung zu übernehmen. Wir werden nichts tun, was illegal ist und auf keinen Fall gegen dieses Gesetz verstoßen. Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, wenn es so weit kommt.
Dies würde Sie ja aus Ihrem moralischen Dilemma befreien.
Das ist richtig, heißt aber nicht, daß mir dies gefallen würde. Und außerdem würde das die Regierung nicht aus ihrer peinlichen Situation bringen.
An wen verkaufen Sie denn überhaupt Thionylchlorid?
An verschiedene Firmen. Es wird vor allem zur Produktion von Pestiziden in der Landwirtschaft und für einige pharmazeutische Produkte benötigt.
Ihre Regierung will etwas von Ihnen, was sie dringend benötigt. Wie können Sie sich da weigern, es ihr zu verkaufen?
Wir glauben einfach, daß der Einsatz dieses Materials moralisch nicht gerechtfertigt ist und gegen unsere Politik und die unserer Mutterfirma verstößt.
Und Sie nehmen damit eine Beeinflussung der US -Verteidigunspolitik in Kauf?
Das stimmt nicht. Die Regierung hat ja Mittel wie das „Verteidigungs-Produktions-Gesetz“, auf das sie wenn nötig zurückgreifen kann. Das ist ihre Entscheidung, nicht unsere.
Übersetzung: ropa
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