: Harrods wird zur pelzfreien Zone
Das Londoner Nobelkaufhaus schließt seine Rauchwarenabteilung / Angestellte: „Eine Schande!“ ■ Aus London Ralf Sotschek
„Männer kommen und gehen, aber ein Pelz ist immer da, wenn du ihn brauchst“, sagt die Sängerin Eartha Kitt. „Es ist äußerst praktisch, Geld in einen Pelzmantel zu investieren.“ Noch bis zum 21. April hat Eartha Kitt nun Gelegenheit, bei Harrods in London einen Pelz stark verbilligt abzustauben. Danach schließt das größte Kaufhaus Europas diese Abteilung.
Aus über 300 Abteilungen besteht das Konsumparadies, das auch die königliche Familie zu seiner Kundschaft zählen darf. Der Pelzhandel befindet sich im ersten Stock hinter den Abendkleidern. Am Eingang steht ein uniformierter Wachmann, der Attentate auf die edlen Tierhäute verhindern soll - doch die Abteilung ist fast menschenleer. Lediglich vor dem Spiegel in der Ecke hilft ein älterer Herr im Maßanzug seiner jungen Begleiterin in einen Silberfuchs und lobt gurrend, wie großartig ihr das Fell stehe. Die Verkäuferin stimmt ihm zu. Obendrein ist der Fuchs um 75 Prozent herabgesetzt und kostet nur noch 15.000 Mark.
Die Verkäuferin findet es „lächerlich“, die Pelzabteilung aufzulösen. „Ein so großes Kaufhaus muß auch Pelze verkaufen“, sagt sie, „alles andere gibt es hier ja auch.“ Es sei eine Schande, daß sich die Manager dem Druck der Anti -Pelz-Lobby gebeugt hätten.
Harrods-Pressesprecher Michael Cole behauptet jedoch, daß die Entscheidung gegen die Pelzabteilung allein aus ökonomischen Gründen erfolgt sei: „Die Zahlen beweisen, daß der Pelzhandel im ersten Halbjahr 1989 nur noch Waren im Wert von elf Millionen Pfund verkauft hat, während der Umsatz 1987 noch 47 Millionen und 1984 sogar 80 Millionen Pfund betrug.“ Charles Keisner, der zweite Vorsitzende der Vereinigung britischer Pelzhändler, kontert mit einer anderen Statistik: „1980 haben wir zehn Millionen Nerze gezüchtet, aber im vergangenen Jahr waren es 55 Millionen“, sagt er. „Wir züchten die Tiere ja nicht, wenn sie niemand will. Harrods sagt, daß wirtschaftliche Gründe den Ausschlag gegeben hätten, weil es ein schlechtes Licht auf das Unternehmen werfen würde, wenn es dem Druck von Tierschützern nachgibt.“
Stefan Ormrod, der wissenschaftliche Direktor der Anti Pelzorganisation „Lynx“, begrüßt Harrods‘ Entscheidung. Er bestreitet jedoch, daß seine Organisation Druck ausgeübt habe. „Wir sind strikt gegen Gewalt. Wir sagen nicht, was Menschen tragen dürfen. Wir zeigen lediglich auf, welche Konsequenzen das für die Tiere hat“, sagt Ormrod. „Unsere Kampagne ist erfolgreich. Sieben von zehn Britinnen lehnen Pelze inzwischen ab.“ Keisner läßt sich von dieser Zahl nicht beeindrucken. Er sagt: „Die Welt will Pelze tragen. Sie sind billig und haltbar. Sie sind einfach großartig, das läßt sich nicht bestreiten.“
Im Oktober letzten Jahres hat Lynx auf dem Londoner Trafalgar Square eine „Amnestie-Aktion“ durchgeführt: Reuige SünderInnen konnten ihre alten Mäntel abgeben und den Pelzen für immer abschwören. „Die Aktion war ein voller Erfolg“, sagt Stefan Ormrod. Viele Modelle weigern sich inzwischen, bei Modeschauen Pelze anzuziehen. Twiggy, Chrissie Hynde und Kate O'Mara sind Lynx sogar beigetreten.
Keisner macht Lynx indirekt für Anschläge auf Pelzhandlungen verantwortlich. Im letzten Jahr ist in einem Pelzgeschäft in Südengland eine Bombe explodiert. „Durch die Kampagnen von Lynx kommen solche Attentäter erst auf die Idee“, sagt Keisner. Ormrod weist das von sich: „Mit demselben Argument könnte man dann auch Informationen über Aparheid unterbinden.“
Der ältere Herr in Harrods Pelzabteilung hat sich inzwischen zum Kauf des Silberfuchses entschlossen, die Verkäuferin gratuliert zur schnellen Entscheidung. „Seit dem Räumungsverkauf gehen die Mäntel weg wie warme Semmeln“, sagt sie. „Aber die Geschäftsleitung hört ja nicht auf die Angestellten. Das Verkaufsmotto müssen sie nun wohl auch ändern.“ Harrods Devise lautet omnia omnibus ubique, „alles, für alle, überall“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen