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Lange Kerls via destruktive Gegner

Bei der C-WM haben die bundesdeutschen Handballer wenig Aussicht auf Lob: Der Wiederaufstieg ist für Coach Bredemeier auch ohne Weltklasse-Keeper Hecker und Thiel ein Muß / Gruppengegner Norwegen „saustark“  ■  Von Jochen Reinhardt

Im Handballweltverband wird seit Jahren heiteres Begriffe -Raten gespielt. Vergeblich versucht der in Basel ansässige Verband die Geister, die er mit der Einführung prägnanter Abkürzungen für seine Titelkämpfe rief, wieder loszuwerden. Weil's eben so kurz und griffig ist, reden alle Beteiligten, die nicht gerade dem inneren IHF-Führungszirkel angehören, lustig und munter weiter von A-, B- oder C-WM. Die seit fünf Jahren geltende offizielle Bezeichnung „Weltmeisterschaft“, „Weltmeisterschaftsqualifikation“ und „Kontinentqualifikation“ konnten sich zumindest in den Köpfen der Spieler, Trainer und Journalisten nicht durchsetzen.

Ob nun bei der C-WM oder bei der Kontinentqualifikation, die bundesdeutschen Ballwerfer sollen sich von heute an bis zum 8. April in Finnland aus der Drittklassigkeit herausspielen. Vor einem Jahr war der Verband, der noch vor zwölf Jahren Weltmeister wurde und dessen Spitzenklubs seitdem Europapokaltitel in Serie sammeln, mit seiner Nationalmannschaft bei der B-WM in Frankreich tief gefallen. Statt der Qualifikation für die inzwischen ausgetragene A-WM in der CSSR spielten sich die hochdotierten Stars aus Essen, Gummersbach und Großwallstadt hinab in die C-Gruppe.

„Satt und überheblich“ seien sie gewesen, bereute Essens Supertorwart Stefan Hecker, aber auch ganz schön geschlaucht vom knüppelharten Vorbereitungstraining des damaligen Trainers Petre Ivanescu. Weniger wäre nach Ansicht vieler vielleicht mehr gewesen.

In diese Verlegenheit ist Ivanescus Nachfolge Horst Bredemeier erst gar nicht gekommen. Der 38jährige Düsseldorfer mußte mit einer Vorbereitung vorlieb nehmen, die der Bedeutung des Turniers in Finnland entspricht: drittklassig. Mal waren es Liganachholspiele, mal Europacupspiele der Klubs, mal einfach nur Verletzungen oder Null-Bock-Mentalitäten, die seinen Kader regelmäßig dezimierten.

An Reibereien mit den mächtigen Vereinen kam auch der keineswegs einflußlose Ex-Postbeamte „Hotti“, wie der für seine professionelle Einstellung und kernige Sprüche bekannte Coach gerufen wird, nicht vorbei. Die Bundesligisten pochten auf ihre Interessen. Um so vehementer, da in diesem Jahr die Play-Off-Runde eingeführt wurde.

Als Selbstgänger sieht Bredemeier das Turnier rund um Helsinki keineswegs. An der Qualifikation für die B-WM oder der WM-Qualifikation für Österreich in zwei Jahren bestehen angesichts des Aufstiegs von sechs der zwölf Mannschaften zwar keine Zweifel, aber Ruhm und Ehr kann das DHB-Team in Finnland kaum ernten. „Den Turniersieg werden die meisten als Selbstverständlichkeit abtun, aber schon wenn wir nur Zweiter werden, dürfte die Nörgelei schon losgehen“, sieht der beliebte Trainer für sich selbst und seine weitgehend neuformierte Mannschaft kaum Möglichkeiten der Profilierung.

Bredemeier wäre mit der Endspielteilnahme schon hochzufrieden. Der Stolperstein auf dem Weg ins Finale heißt Norwegen, die ihre Topspieler, etwa Havang (Dormagen), Kjendalen (Schutterwald) und Erland (Gummersbach) längst in der Bundesliga etabliert haben.

„Saustark“ schätzt Bredemeier diesen härtesten Vorrundengegner ein, aber auch gegen Israel, die Türkei, Griechenland und Belgien will er nichts dem Zufall überlassen. Die Belgier nahm er deshalb zweimal persönlich unter die Lupe. Ein Ausdruck wie sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben, den die vergangenen Ergebnisse gegen die Nachbarn, 34:6 1976 und 21:10 ein Jahr zuvor, lassen diesen Aufwand überflüssig erscheinen.

Schon hat sich ein recht umfangreicher öffentlich -rechtlicher Fernsehtroß nach Finnland aufgemacht, um möglichst viel drittklassiges Handball in deutsche Wohnstuben zu transportieren. Ob die Teams allerdings interessanten Sport übertragen werden, bezweifelt Bredemeier: „Die werden gegen uns alle den Ball halten“, rechnet er mit destruktiven Gegnern. Dagegen will er eine Abwehr von langen Kerls stellen. Die Zweimetermänner Mike Bezdicek und Volker Zerbe aus dem lippischen Lemgo sowie der Düsseldorfer Richard Ratka und sein Gummersbacher Kollege Klaus-Dieter Petersen sollen vor dem eigenen Kreis die Aufbauarbeit leisten. Die eher kleine geratenen Türken und Griechen dürften gegen die Riesen kaum ohne Leiter auskommen.

Ganz jedoch scheint Bredemeier den Künsten seiner jungen Abwehr noch nicht trauen. Wie sonst ist es zu erklären, daß er für den verletzten Stefan Hecker den eigentlich schon zurückgetretenen Gummersbacher Weltklassemann Andreas Thiel zu einem Keeper-Comeback im Nationalteam überreden wollte? Doch der Gerichtereferendar sagte ab, teils aus beruflichen Gründen, teils auch, damit junge Spieler wie Holpert und Lütt zum Zuge kommen.

Das eigentliche, lang andauernde DHB-Problem ist jedoch das Fehlen einer anerkannten Spielerpersönlichkeit. Abgesehen von Hecker und Thiel ist genau das im Team Mangelware. Zwar spielt auf der linken Seite mit dem Essener Jochen Fraatz ein Ausnahmeathlet, doch Führungsqualitäten werden dem 26jährigen nicht nachgesagt. Ähnliches gilt auch für den nicht unumstrittenen Spielmacher Michael Klemm aus Dormagen. Klemm, schon Center unter Ivanescu, schlug noch einmal die Newcomer Winter (Schutterwald), Krewinkel (Lemgo) und vor allem Hochhaus (Niederwürzbach) aus dem Feld. Letzterer dürfte jedoch der Mann der Zukunft sein. Denn eines steht für Bredemeier fest: „Nach Finnland muß komplett neu aufgebaut werden.“

Ob dieser Fall noch eintreten wird, ist zweifelhaft. Schließlich sind in keiner anderen Mannschaftssportart die deutsch-deutschen Entwicklungen so weit gediehen wie im Handball. Und die DDR besitzt das Startrecht für Olympia, während die bundesdeutschen Mannen frühestens ein Jahr später bei der Weltmeisterschaft in Schweden wieder erstklassig sein könnten.

Der Modus der C-WM in Finnland: Es wird in zwei Sechsergruppen jeder gegen jeden gespielt. Der Gruppensieger bestreiten ohne Halbfinale am 8. April in Helsinki das Endspiel, die Gruppenzweiten das Spiel um Platz drei usw. Gruppe A: BRD, Israel, Norwegen, Belgien, Türkei, Griechenland. Gruppe B: Finnland, Bulgarien, Niederlande, Italien, Portugal, Luxemburg.

Termine der DHB-Mannen: 31.3. gegen Belgien, 1.4. Türkei, 3.4. Griechenland, 4.4. Norwegen, 6.4. Israel.

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