: Mit Badezimmer und NATO-Kultur
■ Wie Klein-Helmut sich das DDR-Wirtschaftswunder vorstellt
Auszüge aus einem Interview der Londoner 'Financial Times‘ mit Bundeskanzler Helmut Kohl
Zu 1:1 Umtausch: „In fünf Jahren wird die DDR ein blühendes Land sein - ein Motor für die EG... Es führt zu nichts, wenn man für einen demonstrativ sozialen Kurs Beifall erhält und dann sechs Monate später einer katastrophalen Wirtschaftslage gegenübersteht. Das war das Geheimnis von 1948 - sie haben die Prioritäten richtig gesetzt“.
Zur NATO: „Das wichtigste Prinzip heißt, daß Deutschland nicht als Sonderfall behandelt wird... Das würde heißen, es zu neutralisiern. Dann würde man das geographische Zentrum Europas in ein Ghetto verwandeln - und eine solche Politik wäre eine Katastrophe. Deswegen muß ganz Deutschland in der NATO sein. Die NATO ist nicht zu allererst eine militärische Allianz, sondern eine Gemeinschaft von Menschen mit gemeinsamen Werten. Und die Leute in Leipzig und Rostock wollen Teil diesr Gemeinschaft sein.“
Zum Wirtschaftswunder: „Ich würde die Deutschen nicht mehr kennen, wenn es nicht sofort einen riesigen Autoboom geben würde. Die Deutschen neigen dazu, Essen, Trinken, Autos und Reisen als ihre Prioritäten anzusehen. Das Auto ist Stastussymbol. Und wenn die DDR-Bürger viele Autos haben, werden die natürlich repariert werden müssen. Dazu wird es einen unglaublichen Aufschwung in der Bauindustrie geben. Sie (die DDR) haben nichts getan, um alte Gebäude zu reparieren, und die neuen sind schrecklich. In der DDR gibt es den höchsten Anteil von berufstätigen Frauen - 90 Prozent. Also haben die Leute zwei Einkommen. Und was sagt die Frau? „Endlich möchte ich ein richtiges Badezimmer“ genau wie in den Illustrierten. Und das gibt den Klempnern eine einmalige Chance.“
Zur BRD-Hilfe für die DDR: „Wir werden die Steuern nicht erhöhen. Das ist keine vernünftige Politik... Warum sagen wir nicht, daß während einer Periode von drei bis fünf Jahren die DDR Vorrang genießt? Wir haben einen riesigen Straßenhaushalt. Brauchen wir so viel? Und wird das Geld immer ökologisch vernünftig ausgegeben? Also wenn wir diesen Haushaltstitel nehmen, und einen Teil davon in den Straßenbau in der DDR stecken, ist das eine gute Sache“.
Zum Selbstvertrauen: „Ich weiß noch wie ich im September 1983 mit dem Hubschrauber aus dem Bundeskanzleramt geflogen wurde. Am Wochenende waren da 350.000 Leute, die gegen diese Raketenstationierung demonstriert haben. Allein im Hubschrauber fragte ich mich: Habe ich recht, und alle die anderen unrecht? Aber natürlich hatte ich recht!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen