: Die Fragen bleiben devot
■ S T A N D B I L D
(Lieber kleiner Herr als großer Knecht, So., 8.4., ARD, 22.45 Uhr) Wenn es nach den Erwartungen des mutmaßlichen DDR -Wirtschaftsministers Elmar Pieroth geht, dauert es nach seinem Amtsantritt und der Währungsunion nur ein paar Wochen, und schon haben Hunderttausende von DDR-BürgerInnen bereits einen Arbeitsplatz in einem der neuen mittelständischen Betriebe gefunden, die dann allerorten aus dem Boden schießen. So muß es denn auch ein „Lehrstück für persönlichen Einsatz, Risikobereitschaft und Erfolg“ sein, als das uns die Ansagerin den Film von Peter Goebel und Frank Krink ankündigt. Die beiden Filmemacher präsentieren uns und den DDR-ExistenzgründerInnen drei Selbständige, die es geschafft haben: einen Maschinenbau-Fabrikanten im Schwarzwald, einen Physiker, der aus Dresden stammt, nach gescheitertem Fluchtversuch aus dem Knast freigekauft wurde und vor sieben Jahren in West-Berlin eine Laser-Firma eröffnete, die Gerätschaften für Augenärzte baut. Und die dritte ist eine Münchner Mode-Designerin, gelernte Medizinerin, die sich vor einigen Jahren mit dem Geld aus einer Erbschaft in das Geschäft mit der Damenoberbekleidung gestürzt hat.
Angenehm ist, daß sich Goebel/Krink allesamt Produktionsbetriebe herausgesucht haben, deren Aufbau ungleich mehr Marktkenntnis, Organisationsvermögen und Entwicklungskapazitäten erfordern als das Betreiben eines Copy-Shops oder eines Architekturbüros. Befremdlich ist jedoch, daß der Film fast ausschließlich die Persönlichkeit der drei Erfolgreichen einzufangen versucht - und das nicht schafft. Durchsetzt ist er mit Allgemeinplätzen a la „Stillstand bedeutet Rückschritt“, während er das Verallgemeinerbare nicht benennt, die Porträts ohne inneren Bezug nebeneinander stellt - die dynamische Unternehmerpersönlichkeit, oder was immer uns der Film vor Augen führen wollte, bleibt über das hinaus, was die drei über sich selbst sagen, unidentifizierbar. Eine auch nur halbwegs konkrete Beschreibung ihrer Produkte und des Marktes, auf dem sie verkauft werden, wird uns nicht zugemutet. Die Fragen bleiben devot, so, als ob persönlicher Wille und Fantasie nicht nur notwendig, sondern schon hinreichend für den Erfolg sei. So haben wir erfahren, wie die drei sind, aber nicht, was ihnen den Erfolg gebracht hat. Aber das müssen die DDR-ExistenzgründerInnen vielleicht auch nicht gerade am Sonntagabend erfahren.
diba
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