piwik no script img

Filmschwierigkeiten in Ost und West

■ Koproduktion Schweiz/DDR „Ursula“ von 1978 heute in DFF 1 wiederaufgeführt Rezensionen wurden damals verhindert / In der Schweiz warf man dem Film „bewußte Provokation“ vor

Die Jahre 1523/1524. Zwingli verkündet in Zürich seine Reformationslehre. Mit der Wiedertäuferbewegung kommt es zu blutigen Glaubenskriegen. In diesen Auseinandersetzungen müssen sich die beiden Liebenden Hansli, der Soldat Zwinglis, und die durch die Wiedertäufer verwirrte Ursula, behaupten.

Am 19. November 1978 wurde das Fernsehspiel Ursula ausgestrahlt. In ihm waren Bilder zu sehen, die in ihrer grausamen und sexuellen Offenheit so im DDR-Fernsehen noch nicht gezeigt wurden. Das erregte die Zuschauer und die damaligen Mediengewaltigen. Diese hatten nicht nur an den freizügigen Szenen zu schlucken, sondern viel mehr an der Symbolik, mit der Egon Günther in seiner Literaturverfilmung nach einer Novelle von Gottfried Keller, auf die DDR zielte. Da schien ihren zensorischen Blicken etwas durch die Lappen gegangen zu sein.

Man holte nach: Keine Rezensionen im 'Neuen Deutschland‘ und den Berlin-regionalen Zeitungen (die Provinz erreichte das Verbot nicht so schnell) und keine Fernsehwiederholung.

Egon Günther, dem 1972 und 1973 mit Der Dritte und Die Schlüssel zwei so gute DEFA-Gegenwartsfilme gelangen, daß er keinen weiter mehr machen durfte und dann, um weiterzuarbeiten, Weltliteratur verfilmte, was ebenfalls meisterlich wurde (siehe Lotte in Weimar 1975 und den heutigen), zog noch im gleichen Jahr nach München.

Ursula war die erste Co-Produktion zwischen dem Fernsehen der DDR und der Schweiz. Das Schweizer Fernsehen beteiligte sich mit 900.000 Franken an der rund 2,3 Millionen Mark teuren Produktion. Es strahlte den Fernsehfilm am 5. November 1978, dem Reformationssonntag, aus.

Die Proteste dort waren nicht geringer. Die Schweizer Kirchensynode warf dem Film „bewußte Provokation und Bloßstellung der Religion“ sowie ein „marxistisches Zwingli -Bild“ vor. Der kirchliche Fernsehbeauftragte mußte seinen Hut nehmen. (Heute im DFF 1, 21.40 Uhr)

Wy

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen