: Irakische „Ölleitung“ ist doch Satellitenkanone
Herstellerpapiere in Händen des britischen Zolls beweisen: Sichergestelltes Frachtgut besteht aus Geschützrohren / Regierung wiegelt ab / Labour fragt das Kabinett, ob es in Großbritannien keinen Experten gebe, der Kanonen und Pipelines auseinanderhalten kann ■ Von den Inseln Ralf Sotscheck
Die für den Irak bestimmte „Erdölleitung“, die in der vergangenen Woche vom britischen Zoll beschlagnahmt wurde, ist Teil eines Riesengeschützes, mit dem Satelliten in eine Erdumlaufbahn geschossen werden können. Das geht aus Papieren hervor, die von Zollbeamten bei den beiden Herstellerfirmen sichergestellt wurden. Das 140 Tonnen schwere Kanonenrohr hätte auch dazu benutzt werden können, chemische Kampfstoffe oder atomare Sprengköpfe „über Hunderte von Kilometern“ zu schießen, heißt es in einer Erklärung des Zolls. Die Beamten beschuldigten die britische Regierung, die Affäre herunterzuspielen, um die 2.000 BritInnen im Irak nicht zu gefährden.
Der irakische Botschafter in London, Shafiq Al-Salihi, behauptete am Wochenende weiterhin, daß die 40 Rohrteile für ein petrochemisches Projekt bei Bagdad bestimmt gewesen seien. Der 'Sunday Correspondent‘ hat jedoch herausgefunden, daß der Adressat, das „Ministerium für Industrie und Mineralien“, gar nicht existiert. Außerdem seien die Rohre zwölfmal stärker als für ihre offizielle Bestimmung notwendig. Eine der beiden Herstellerfirmen, „Sheffield Forgemasters“, hat im vergangenen Jahr bereits 44 kleinere Rohrteile mit Genehmigung des britischen Handelsministeriums an den Irak geliefert. Firmensprecher Philip Wright sagte, seine Firma sei hereingelegt worden, falls sich die Anschuldigungen bewahrheiten sollten.
Wright mußte jedoch am Samstag nach anfänglichem Bestreiten zugeben, daß „Forgemasters“ Kontakte zu der Brüsseler Firma „Space Research Corporation“ (SRC) unterhält. SRC wurde in den 70er Jahren von dem genialen Geschützkonstrukteur Gerald Bull in den USA gegründet. 1980 wurde Bull verurteilt, weil er eine hochmoderne Haubitze an Südafrika verkauft hatte. Nach seiner Haftentlassung zog er mit seiner Firma nach Brüssel und entwickelte trotz des Waffenembargos enge Geschäftsbeziehungen zum Irak. Im vergangenen Monat wurde Bull in Brüssel hinterrücks ermordet, Gerüchten zufolge vom israelischen Geheimdienst „Mossad“. In seinem Buch Paris Kanonen hatte Bull eine „Satellitenkanone“ beschrieben, die weitaus billiger als Raketen ist und angeblich mit den jetzt beschlagnahmten britischen Rohrteilen genau übereinstimmt.
Die Labour Party hat unterdes eine Regierungserklärung zu der „Farce“ gefordert. Ihr Sprecher George Robertson sagte, die Affäre habe Großbritannien „zum Gespött der ganzen Welt“ gemacht. Er will von der Regierung wissen, ob sie über Sachverständige verfüge, die zwischen einer Kanone und einer Ölleitung unterscheiden können.
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