: Hochradioaktiver Müll darf nach Gorleben
Das Verwaltungsgericht in Lüneburg weist den Antrag auf Einlagerungsstopp für das Gorlebener Castorlager ab / Protestaktionen am Gorlebener Zwischenlager und an der Baustelle für die Pilotkonditionierungsanlage ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Die Einlagerung von Hochradiaktiven Müll im Landkreis Lüchow -Dannenberg steht nach Jahren der Ruhe um das Gorlebener Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente jetzt wieder unmittelbar bevor. Die Kammer Lüneburg des Verwaltungsgerichts Stade hat am Gründonnerstag einen bereits zwei Jahre vorliegenden Antrag auf Einlagerungsstopp für das Castorlager abgelehnt. Eine Gruppe von seit Jahren gegen das Zwischenlager prozessierender AnwohnerInnen hatte sich mit dem Antrag gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Einlagerungsgenehmigung für das Atommüllager gewandt und verlangt, die aufschiebende Wirkung ihre Klage wiederherzustellen.
Mit der Ablehnung des Antrages ist die Einlagerungsgenehmigung für das Castorlager sofort vollziehbar und hochradioaktiver Müll darf in Gorleben sofort eingelagert werden. Der Anwalt der KlägerInnen, Nikolaus Piontek, dem die Entscheidung erst gestern telefonisch aus Lüneburg übermittelt wurde, ist allerdings bereit, Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg gegen die Erlaubnis zum Einlagern einzulegen. In Gorleben haben gestern und vorgestern etwa 1.000 Akw-GegnerInnen zunächst nur gegen den Bau der Pilotkonditionierungsanlage, aber auch gegen die drohende Einlagerung von hochradioaktiven Müll protestiert.
Mit „einem Überwiegen des öffentlichen Interesses“ an der Einlagerung von Atommüll begründeten die Lüneburger Richter ihre Entscheidung zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit der Einlagerungsgenehmigung. Zwar bezeichnete die zuständige Kammer die Klage gegen das Gorlebener Zwischenlager als „weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet“. Doch setzten die Richter „das öffentliche Interesse an einer Sicherung der Energieversorgung durch friedliche Nutzung der Kernenergie“ höher an als „das Interesse der Kläger vor Schutz von Gefahren durch den Betrieb des Castor verschont zu werden“. Die Kammer hielt es für „nahezu ausgeschlossen“, daß die von den Klägern befürchteten Störfälle im Castorlager bis zu einer endgültigen rechtskräftigen Gerichtsentscheidung über die Genehmigung eintreten könnten.
Die Kammer Lüneburg des Verwaltungsgerichts Stade hatte bereits mehrfach über den Sofortvollzug der Einlagerungsgenehmigung für das Castorlager zu entscheiden. Zum ersten Mal war diese Genehmigung bereits im Jahre 1983 für sofort vollziehbar erklärt worden, das Gericht hatte sich anschließend allerdings gegen eine Einlagerung in Gorleben gewandt, fehlende Reperaturmöglichkeiten für defekte Castorbehälter im Zwischenlager moniert und die verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Genehmigungsverfahren geltend gemacht.
Der Sprecher der Bürgerinitative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, kündigte gestern hartnäckigen Widerstand gegen die bevorstehende Einlagerung von hochradioaktiven Müll in Gorleben an. Die Akw-GegnerInnen im Wendland seien jederzeit für Blockaden mobilisierbar, man erwarte aber auch Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet, sagte Ehmke. Am Montag hatten etwa 1.000 Akw-GegnerInnen, die z.T. auch aus der DDR angereist waren, am Gorlebener Atomgelände gegen den Bau der Pilotkonditionierungsanlage demonstriert. Im Anschluß an die Kundgebung entwickelte sich aus kleinen Aktion am Bauzaun für das Atommüllendlager und aus spaßhaften Eier- und Farbeierwürfen auf Politikerköpfe eine Auseinandersetzung mit der Polizei, bei der zwei Akw-Gegner festgenommen wurden. Eine dann über Nacht bis Dienstag morgen andauernde Blockade des Zwischenlagergeländes wurde von der Polizei mit einem brutalen Knüppeleinsatz beendet. Die 150 BlockiererInnen wurde auseinandergeknüppelt, nachdem sie der Werksfeuerwehr des Zwischenlagers die Möglichkeit gegeben hatten, eine vor den Tor brennendes Lagerfeuer zu löschen. Während der Blockadeaktionen nahm die Polizei acht weitere Akw-GegnerInnen vorläufig fest.
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