: Fran?ois, wie hältst du's mit der Nato?
■ Mitterrand heute bei US-Präsident Bush: Frankreich sucht eine neue Rolle in einem neuen Nordatlantikpakt
Paris (taz) - Rein oder nicht rein in die Nato? Und wenn ja: in welche Nato? Wenn sich Fran?ois Mitterrand heute nachmittag mit US-Präsident George Bush in Key Largo zum Tee trifft, wird diese strategische Seinsfrage im Mittelpunkt der Gespräche stehen.
Vor allem das britische Außenministerium hatte in den letzten Wochen einen Wiederbeitritt Frankreichs in die militärische Integration der Nato befürwortet, aus der De Gaulle 1966 ausgetreten war. Als erster Schritt einer Wiederannäherung war empfohlen worden, einem Franzosen das Oberkommando der alliierten Streitkräfte in Europa (Saceur) anzuvertrauen. Bush lehnte diesen Vorschlag zur Stärkung der Nato ab und erklärte vor dem Treffen, er sei „zufrieden mit den jetzigen Strukturen“.
Für die USA wird es heute darum gehen, zu erkunden, welches Stadium die westeuropäischen Planspiele eines „Europäischen Sicherheitssystems“ erreicht haben. Sie fürchten (ebenso wie Margaret Thatcher), daß dadurch die Nato auf längere Sicht ersetzt werden sollte.
Für Mitterrand seinerseits steht außer Debatte, Teile der nationalen Souveränität über Flughäfen und Kasernen an die Nato abzugeben, wie es die militärische Integration mit sich bringen würde. Der französische Präsident sieht andererseits durch die Implosion des Ostens und die dadurch geschwächte Position der Supermächte die Chance gegeben, Europas Rolle im internationalen Sicherheitssystem zu stärken, vor allem durch einen Ausbau des KSZE-Instrumentariums.
Was im Verteidigungsministerium zur Zeit diskutiert wird, deutete gestern ein Beitrag des Chev enement-Vertrauten Jean -Michel Boucheron an, der zugleich Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission ist. Boucheron schlägt vor, den französischen Nuklearschirm in Zukunft über Gesamtdeutschland zu halten, und zwar eben durch die umstrittene Stationierung der „vor-strategischen“ Hades -Rakete. Die USA sollten zwar weiter in Europa präsent sein, aber: „Notwendig ist eine Koordination aller Kommandostäbe der Allianz unter europäischem Kommando.“ In einer derart europäisierten, neuen Nato wäre auch ein Platz für Frankreich, schließt der Autor. Parallel zu der Schaffung eines gemeinsamen Rüstungsmarktes bekäme die EG derart die Chance, auch ihre Sicherheit in die eigene Hand zu nehmen.
Eine ähnliche Position hatte auch der ehemalige Verteidigungsminister Andre Giraud vertreten. Er bot den Deutschen zudem ein Vetorecht über den Einsatz der Hades -Raketen an. Selbst Giscard d‘ Estaing, dessen Partei UDF zu den proatlantischsten Kräften in Frankreich zählt, regte Anfang April einen Übergang von einem Atlantikpakt zu einem „Euro-atlantischen Verteidigungspakt“ an, dem Frankreich dann beitreten müsse. Derart selbstbewußte Töne werden im Weißen Haus gar nicht gern gehört. So könnte aus Key Largo vielleicht doch ein Key Vivace werden.
Alexander Smoltczyk
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