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De Maiziere will schnell über die Mauer

Regierungserklärung des neuen DDR-Ministerpräsidenten verspricht schnellen Weg zur sozialen Marktwirtschaft / Mauer soll „in den nächsten Monaten“ abgerissen werden / CDU/DA-Sprecherin: Die alte DDR-Verfassung ist außer Kraft gesetzt, eine neue nicht mehr nötig  ■  Von Klaus Wolschner

Berlin (taz) - Die deutsche Einheit soll „so schnell wie möglich“ kommen, die Mauer soll „noch in den nächsten Monaten abgerissen“ werden, hat DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU) gestern in seiner Regierungserklärung vor der Volkskammer angekündigt. Was 28 Jahre lang im offiziellen DDR-Jargon als „antifaschistischer Schutzwall“ fungierte, bezeichnete de Maiziere nun als „menschenunwürdiges Schandmal“.

Der Gesamtberliner provisorische Regionalausschuß setzte sich unterdessen für die Erhaltung zumindest eines Stücks der Mauer in der Nähe des Potsdamer Platzes als „historisches Monument“ ein.

Dem politischen Willen zur Einheit hätten die Wähler am 18. März „deutlich Ausdruck“ verliehen, erklärte de Maziere. Aber: „Über den Weg dahin werden wir entscheidend mitzureden haben.“ De Maiziere beharrte auf der Forderung nach einer Umstellung von Löhnen, Gehältern, Renten und Sparguthaben im Verhältnis 1:1 bei der D-Mark-Einführung: „Eins zu eins ist der grundlegende Kurs.“

Auf die Tatsache, daß ein kompletter Bonner Entwurf für den Vertrag über die Währungsunion schon vorliegt, ging der neue DDR-Regierungschef nicht ein. Was er an konkreten Vorhaben der DDR-Regierung auf dem Weg zur sozialen Marktwirtschaft erwähnte, brachte ihm die einhellige Zustimmung der Bonner Regierung und auch des SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, ein. Die Regierungserklärung sei eine „würdige und beeindruckende Botschaft für einen demokratischen Neuanfang“, bewertete Regierungssprecher Vogel und meinte, „die Bitte de Maizieres um Solidarität der Bundesbürger“ werde „nicht ungehört verhallen“. Für Lafontaine hat de Maiziere in seiner Regierungserklärung „deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die DDR-Regierung die Interessen der Bürger entschieden vertreten will“. Lediglich die Grünen kritisierten, alles, was in der DDR-Opposition der zurückliegenden Monate an Neuanfang überlegt worden sei, wie ökologischer und sozialer Umbau und basisorientierte Demokratisierung, „wird nun unter der Regie des Kanzleramtes zur Altlast erklärt“.

Gegenüber Journalisten lobte hingegen der zurückgetretene SPD-Vorsitzende Ibrahim Böhme, der die Bildung der großen Koalition kritisiert hatte, die Regierungserklärung: Sie sei „in den wichtigsten Punkten sehr gut“. Während Böhme, der aus seinem Urlaub in die Politik zurückgekehrt ist, in der Lobby der Volkskammer demonstrativ gutgelaunt mit Journalisten plauschte, stritt die Volkskammer in einer „Aktuellen Stunde“ um den den Entwurf des Runden Tisches für eine neue DDR-Verfassung. Gerd Poppe von der Fraktion „Bündnis 90/Grüne“ hatte diesen Text eingebracht, mit dem nach Ansicht der Oppositionsbewegungen die DDR in eine neue gemeinsame Verfassunggebende Versammlung gehen sollte. Für die Fraktion von CDU und Demokratischem Aufbruch (DA) lehnte die Abgeordnete Brigitte Kögler diese Politik schroff ab: „Wozu brauchen wir eine Verfassung?“ Die Arbeit an einer neuen DDR-Verfassung „behindert den schnellen Weg zur deutschen Einheit“, meinte sie, eine Übergangsverfassung sei zudem nicht erforderlich, da die alte Verfassung durch die Wahl vom 18. März „außer Kraft gesetzt“ sei. Tagesthema Seite 3, Doku Seite 7

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