: Bayerischer Schnittlauch für den Tenno
Auf der Gartenbau-Weltausstellung in Osaka sucht der japanische Kaiser Nähe zu Volk und Blumen / Blumenausstellung als Vergnügungspark der japanischen Konzerne / Frankreich kritisiert „überwältigende Präsenz“ der japanischen Industrie ■ Von C.Yamamoto und G.Blume
Tokio (taz) - „Da kommen seine Hoheit und die Kaiserin“, flüstert die Platznachbarin im Zug auf Tokios Hauptbahnhof. Tatsächlich. Er winkt und lächelt. Alle Fahrgäste staunen, denn so nah war ihnen der Kaiser noch nie. Akihito und Frau Michiko sind nach dem vorgeschriebenen Trauerjahr um den Vater das erste Mal zu Fuß unterwegs. Die Polizisten bilden ein einfaches Spalier zum Erste-Klasse-Wagen. Wenig später ruckt der Shinkansen-Schnellzug an. Dann fährt der Tenno mit der taz!
Nur zufällig haben wir das gleiche Reiseziel, die Gartenbauweltausstellung in Osaka, die seit ihrer Eröffnung Anfang April den hohen Besuch erwartet. Auf dem Weg dorthin stört der Tenno nicht. Der Zug fährt pünktlich nach Fahrplan, der Fahrpreis ist nicht teurer. Besondere Kontrollen für die übrigen Fahrgäste gibt es nicht. Als der Zug nach zwei Stunden Kioto erreicht, hat sich das Eintreffen des Tennos herumgesprochen. Stolze Japaner schwenken Fähnchen. Das alles ist des neuen Tennos kleine Sensation.
Vater Hirohito fuhr ja nur im Sonderzug. In Tokio besaß er einen eigenen Bahnhof. Auch sonst sah ihn das Volk meist nur bei förmlichen Zeremonien. Akihito wünscht nun offenbar einen neuen Stil.
Auf der Weltausstellung tritt Akihito mutigen Schritts in die Fußstapfen von Umweltaktivist Prinz Charles. Zur Feier des Tages trägt er einen grünen Schlips und hebt die Stimme. „Die Waldzerstörung auf der ganzen Welt mindert angeblich in großem Maß die Lebensqualität. Es ist zu dieser Stunde eine dringliche Angelegenheit, mit Umweltschutzaktivitäten das Bewußtsein über die Unersetzbarkeit des Grünen zu stärken.“ Was immer man über Akihito denken mag - so klar verständliche politische Worte hat ein Tenno seit dem Krieg nicht mehr gesprochen. Leider wird das nichts daran ändern, daß der Kaiser in Japan den Rechtsradikalen gehört. Die schossen erst kürzlich auf einen Universitätsprofessor, der es gewagt hatte, die für den Herbst geplanten Inthronisierungszeremonien von Akihito zu kritisieren. Mit Glück entging der Kaiserkritiker Verletzungen.
So, wie all diejenigen Gefahr laufen, zum Opfer der Rechtsradikalen zu werden, die Kaiser und Tennosystem direkt in der Öffentlichkeit angreifen, so versteht es sich in Japan von selbst, daß eine Ausstellung, die der Tenno besucht, jeder Kritik enthoben ist. Das machte es den Weltausstellern von Osaka leicht. Was sie dem japanischen Volk und dem Kaiser mit öffentlichen Investitionen von mehr als fünf Milliarden DM bieten, ist - gelinde gesagt - ein Skandal. Nur darf das niemand sagen, geschweige denn schreiben. Im Pressehaus der Weltausstellung ist es den heimischen Journalisten schon peinlich. Die Blumenausstellung ist nämlich in Wirklichkeit ein Vergnügungspark von Mitsubishi, Sumitomo, Fujitsu und was sonst noch in Japan unter großen Konzernen Rang und Namen hat. Die eigentlichen Blumengärten sind klein, und meist kärglich mit Stiefmütterchen bepflanzt. Hinzu kommt, daß die Menschen stundenlang vor den Firmenhäusern Schlange stehen. Auf einer Wasserbahn sind bereits 16 Menschen bei einem Unfall verletzt worden. Als erstes Teilnehmerland hat Frankreich vergangene Woche der japanischen Regierung vorgeworfen, daß sie die internationale Behörde für Weltausstellungen „irregeführt“ habe. Die hatte in Osaka zum ersten Mal in größerem Umfang heimische Privatunternehmer bei einer Weltausstellung zugelassen. Die Franzosen meinen nun, daß mit einer solchen „überwältigenden Präsenz der japanischen Industrie nicht gerechnet wurde“.
Auf dem Ausstellungsgelände in Osaka sind riesige Computerhallen in architektonischer Imitation von Pflanzenformen entstanden, in denen freilich keine Blumen wachsen, sondern Videospiele und Filmvorführungen auf die Liebe der großen Konzerne für die Natur hinweisen. Die vereinigten japanischen AKW-Bauer werben in ihrem Ausstellungstempel für das Licht auf Erden, das angeblich die Pflanzen erst wachsen läßt. Sumitomo führt die Jahreszeiten in einem Ballett mit HDTV-Technologie auf, während die japanische Regierung in ihrer Ausstellungshalle auf die Errungenschaften des Baumes aufmerksam macht. Der reinigt nicht nur die Luft, sondern schützt die Stadtbewohner vor Lärm, Regen, Sonne und Wind. Das sind Binsenwahrheiten fürs Volk - verpackt in kunstvollen Licht -Schatten-Arrangements.
Kaiser Akihito war das zu banal, oder er wußte besser Bescheid: schließlich gehören Mitsubishi und Sumitomo zu den großen japanischen Firmen, in deren Auftrag der Regenwald zerstört wird. Der Tenno ging also auf seinem Rundgang tatsächlich dorthin, wo es sonst kaum jemanden hinzieht - in die internationalen Blumengärten der Ausstellerländer. Dort fand er dann auch den bayerischen Bauerngarten. Doch wollte er sich bei „Rindswurst und Sauerkraut“ nicht aufhalten. Wer konnte es ihm verdenken? Statt Frühlingsblumen haben die Bayern in Osaka Schnittlauch gepflanzt.
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